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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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sämtliches Licht, das durch die deckenhohen Rundbogenfenster hätte hereindringen können. Auch die mit Löwenköpfen verzierten Simse und die Gemälde von Nymphen und Delphinen, die unter dem Einfluß von Feuchtigkeit und Moder bereits abzublättern begannen, verschwanden hinter großen Decken. Nur das geometrische Mosaik aus rosafarbenem, goldenen und grauem Marmor war noch immer zu sehen und erinnerte an eine bessere Zeit in jenen Tagen, bevor die Oberste Korianizauberin diesen Raum zu ihrem Aufenthaltsort bei Tage gemacht hatte.
    Morriel hatte auf den Komfort von Teppichen verzichtet. Selbst Kerzen empfand sie lediglich als eine Störung in ihrer Meditation. Unerbittlich hart wie Stahl erhob sie sich aus der ungepolsterten Nische, die sie für ihre innere Einkehr bevorzugte, und reckte erwartungsvoll den Kopf vor. Gleich darauf vernahm sie ein Klopfen an der Tür. Die diamantbesetzten Haarnadeln in ihrer Frisur glitzerten wie kleine Feuerpunkte in der Düsternis, als sie selbstzufrieden nickte und befahl: »Gestattet meiner Ersten Zauberin einzutreten!«
    Der Pagenjunge, der in der Nähe der Tür kauerte, eilte aus seiner Ecke hervor und schob den Riegel zurück.
    Lirenda glitt an ihm vorbei, als wäre der Knabe nur ein Möbelstück. Mit schwingenden Seidenröcken knickste sie vor ihrer Oberin, wobei sie den Wink erwartete, der es ihr erlauben würde, sich wieder aufzurichten. Aufregung färbte ihre Wangen rot, während sie sich aus ihrem Umhang mit den Rangabzeichen an Kapuze und Saum schälte. Als ein zweiter Pagenjunge ihr das Kleidungsstück abnahm, wagte sie einen direkten Blick auf ihre Oberin. »Es hat begonnen.«
    »Zeig es mir.« Bewegungslos wie eine Spinne in ihrem Netz aus sorgsam arrangierten Kleiderfalten, schloß Morriel ihre nachtschwarzen Augen. Kaum ein Geräusch und kaum eine Bewegung außer dem Flackern der Flammen im Kamin störte die Ruhe in dem Raum. Auch der Pagenjunge, der eben die Tür zum Garderobenschrank geschlossen hatte, vermied jeglichen unnötigen Lärm, während er sich auf allen Vieren wieder auf seinen Platz zurückzog.
    Lirenda umfaßte mit beiden Händen den Kristall, der an einer Kette um ihren Hals hing, dämpfte ihr Bewußtsein und senkte ihre inneren Schranken, um ihrer Oberin freien Zugang zu ihrem Geist zu gewähren. Energie floß wie ein Strom von Geist zu Geist und rief zwei Bilder aus der Wache in das Bewußtsein zurück …
     
    Eine halbe Welt entfernt, jenseits der Weite des Ozeans, dringt plötzlich eine Lanze hellen Sonnenlichtes durch den Nebel und funkelt strahlend auf den Wellenkronen. Morriel, die alt genug war, eigene Erinnerungen an die natürliche Welt vor der Herrschaft des Nebelgeistes zu besitzen, unterdrückte ein Keuchen. Als zeigte die Vision nicht wahre Wunder, drängte sie geschäftig weiter zu einem späteren Bild, in dem der Mond auf eine Inselfestung herabscheint, deren abgedeckte Dächer sich einem indigoblauen Himmel entgegenstrecken …
     
    »Corith«, erklärte Lirenda und unterbrach die Trance in dem Salon des alten Herzogspalastes. »Eine der Inseln von Min Pierens im Westen.«
    Morriel reagierte mit einem erhobenen Zeigefinger auf die Unterbrechung. »Das weiß ich selbst«, rügte sie in scharfem Ton, ehe sie fortfuhr: »Unsere Wächterin des Fünften Weges hat mir von einer verdichteten Ansammlung des Dunstes über Ithamon berichtet.«
    »Richtig.« Die Erste Zauberin drängte es zu einer Schlußfolgerung. »Die königlichen Schützlinge der Bruderschaft müssen Desh-Thiere von dort aus bedrängen. Warum sonst sollte sein Griff sich an allen anderen Orten lockern?«
    Morriel ging nicht auf ihre Mutmaßung ein. Drei Wochen waren nun vergangen, seit sich die Prinzen mit Asandir in Ithamon eingenistet hatten, und nun erhielten sie den ersten Beweis für ihr Tun. Waren auch die letzten Versuche, ihre Aktivitäten zu beobachten, durch und durch fehlgeschlagen, so erlaubten die Anzeichen der Schwäche, die der Nebelgeist ihnen nun zeigte, doch einige interessante Rückschlüsse. Dennoch wäre es mehr als nur dumm gewesen, über reine Spekulationen zu frohlocken. »Ich erinnere dich daran, daß unsere Pflicht darin liegen muß, herauszufinden, wie die Prinzen, die für diese Vorgänge verantwortlich sind, an ihre Macht gelangen konnten.« Nachdenklich runzelte Morriel die Stirn. »Immerhin vollbringen sie eine Leistung, derer die Bruderschaft selbst nicht fähig ist.«
    Ein Strahlen erschien in Lirendas Augen. »Dann schlagt Ihr also vor,

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