Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
Vom Netzwerk:
standzuhalten. Soll all diese Mühe umsonst gewesen sein, nur weil Arithon die Verantwortung nicht tragen will? Mit der Vertreibung Desh-Thieres steht Atheras Zivilisation am Rande des Untergangs. Eine gerechte Regentschaft muß in der Folge dieser Vertreibung wieder errichtet werden, und der Prinz, der die Herrschaft über Etarra erhalten wird, muß ein Nachfahre der alten Könige sein, wenn er die Kluft zwischen den Städtern und den Barbaren überbrücken soll.« Mit bedauernder Miene fügte der Zauberer hinzu: »Arithons Widerspenstigkeit ist ein Luxus, den diese Zeit nicht verschmerzen kann.«
    »Ihr habt ihn Euch zum Feind gemacht«, erklärte Lysaer kühl.
    »Der Schöpfer möge mir gnädig sein, doch ich wünschte, das wäre alles, was ich getan habe!« Asandir zerrte an den Zügeln, war er noch näher daran, seinem Schmerz nachzugeben, als jemals ein Sterblicher es erlebt hatte. Dann aber trieb er seinen schwarzen Hengst vorwärts durch den Regen, und während sie den ganzen Nachmittag durch die Ruinen der Stadt ritten, sprach er kein Wort mehr, noch blickte er ein einziges Mal zurück.
    Sie fanden Arithon schließlich neben seinem Pferd im Inneren eines geborstenen Runds, den Fundamenten des königlichen Turmes. Seine Züge waren verhärtet und seine Stimmung so frostig wie ein zugefrorener Strom.
    Inzwischen erholt von dem Zwischenfall am Flußufer, sprach Asandir ihn scharf und knapp an. »Wir sollten unser Lager in einem der Türme aufschlagen. Sie sind solide, bequem und trocken. Welcher Turm soll es sein, mein Prinz?«
    »Kieling«, entgegnete Arithon munter, entschlossen und sorglos. »Barmherzigkeit.«

 
Caithdein
     
    Nur eine Person hielt sich in dem großen, steinernen Gewölbe im westlichen Außenposten von Camris auf, doch das Feuer war hochaufgeschichtet, in Erwartung eines bedeutsamen Ereignisses. In Wandhaltern und Kandelabern brannten Wachskerzen, doch noch immer verdunkelten tiefe Schatten die Winkel und Ecken im Raum. Es war Winter geworden. Draußen heulte der Wind durch die Berge, und die Böen brachten die Cildorn-Wandteppiche in Bewegung. Sogar die großen Wandbehänge neben der Feuerstelle flatterten durch den Luftzug. An ihrem standesgemäßen Platz auf dem Podest, gekleidet in Tysans traditionelle, goldgesäumte Robe, saß Maenalle s’Gannley, Dienerin von Tysan und hielt die goldene Feder in Händen, die von Generation zu Generation weitergereicht worden war, die königlichen Dokumente zu signieren. Wenngleich die mit Ornamenten verzierte Feder von Zeit zu Zeit ausgetauscht worden war, zeigte sie doch deutliche Gebrauchsspuren. Trotzdem war die Goldspitze in dem Emaillekolben nach wie vor spitz und frei von Abnutzungserscheinungen. Seit dem Sturz des letzten gekrönten Staatsoberhauptes waren offizielle Verlautbarungen zwischen den Clanführern nur noch durch Boten in Form gesprochener Worte weitergegeben worden, wenn überhaupt, denn eine Niederschrift barg die Gefahr, den Städtern in die Hände zu fallen, falls der Überbringer in Gefangenschaft geraten sollte.
    Maenalle glättete die beschädigten Fasern der Federfahne. Spannung zeichnete sich auf ihren ebenmäßigen, scharfgeschnittenen Zügen ab. In Ermangelung schriftlicher Aufzeichnungen fragte sie sich, ob dies die erste Zusammenkunft aller Clanführer Tysans unter einem Dach seit der Entweihung des königlichen Thrones sein mochte. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen, während sie sich an dem Gedanken erfreute, den Clanführern mitzuteilen, daß ein Erbe königlichen Blutes durch das Westtor gekommen war, um den Thron des Hohekönigs zu besteigen.
    Der alte Tashan war vor lauter Vorfreude so aufgeregt wie ein Knabe, und der junge Maien war sehr nervös und fürchtete ständig, er könnte sich ungeschickt anstellen und den Wein verschüttern, obwohl er doch sogar dem Prinzen selbst fehlerlos gedient hatte. Keiner der Kundschafter des westlichen Außenpostens hatte auch nur ein einziges Wort über die Ankunft des königlichen Erben verraten, und Maenalle war deshalb besonders stolz auf ihre Leute. Ihre Mitteilung würde die Clanführer, die sich aufgrund ihres Rufes auf eine lange und unbequeme Reise durch ihnen feindlich gesonnene Gebiete begeben hatten, vollkommen überraschen.
    Plötzlich legte sich eine übernatürliche Stille über den Raum, als hätten die unersättlichen Gebirgswinde zu wehen vergessen und das Feuer für einen Augenblick sein Flackern eingestellt.
    Mit den Reflexen eines Kundschafters versteifte

Weitere Kostenlose Bücher