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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Mearth nach Einbruch der Dunkelheit. Die Halbbrüder hatten den Hain in der Mittagshitze verlassen, doch seitdem hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt.
    Schließlich brach Arithon die Stille. »Lysaer, kennst du deine Gabe?«
    Auf Spott gefaßt sah der Prinz seinen Halbbruder an. Der Herr der Schatten jedoch starrte nur ausdruckslos in ein Loch in einem wilden Ziegelhaufen, der einst das Westtor der Stadt gewesen war. »Wie gut kannst du Licht sammeln? Ich frage, weil wir vielleicht eine Waffe brauchen werden.«
    Zwar hätte Lysaer diese Frage lieber nicht beantwortet, doch die vor ihnen liegenden Gefahren erforderten seine Ehrlichkeit. »Ich bin nicht wie du geschult worden. Nach dem Fehlschlag seiner Ehe hat der König die alten Weisen des Hofes verbannt. Nur die Heiler durften sich noch bei Hofe aufhalten. Ich habe ein bißchen experimentiert. Schließlich ist es mir gelungen, einen Energiestoß von der Kraft eines Blitzes zu erzeugen. Dieser Energiestoß ist bestimmt tödlich.«
    Jahrelange, einsame Übung stand hinter dieser Feststellung des Prinzen. Erst durch die quälende Frustration hatte er Kontrolle über seine angeborene Gabe erhalten. Daß Arithon seinen Erfolg kommentarlos zur Kenntnis nahm, weckte seinen Zorn.
    Lysaer taxierte den Mann, der an seiner Seite ging. So zart seine Hände auch erschienen, trugen sie doch die Schwielen eines tüchtigen Seemannes. Wo immer es Schiffe gab, konnte Arithon sich bestimmt beträchtliches Ansehen verdienen. Doch auch so konnte er mit seinem flinken Geist und der Disziplin eines Zauberers alles erreichen, was er wollte. Wenn hinter dem Tor der Roten Wüste eine neue Welt sie erwartete, so würde es dem Herrn der Schatten nie an einträglicher Arbeit mangeln.
    Lysaer verglich diese Erkenntnis mit seinen eigenen Fähigkeiten. Seine ganze Erziehung hatte sich um eine Krone gedreht, die er nun doch nie besitzen würde. Als Exilprinz wäre er ein Mann mit den Fähigkeiten eines Herrschers, doch ohne Gefolge und ohne das Geburtsrecht, ein Volk an sich zu binden. In Friedenszeiten mochte er sich einen Dienstposten suchen, als Fechtlehrer oder Wachkapitän; im Kriege aber müßte er sich ehrlos als Söldner verdingen. Gebunden an die Gerechtigkeit der fairen Regeln und der anständigen Staatskunst, verursachte ihm der Gedanke Abscheu, aus Gründen, die er selbst nicht verantworten konnte, töten zu müssen. Gepeinigt von dem Gefühl der Sinnlosigkeit, brütete er schweigend vor sich hin.
    Die Sonne sank tiefer, und Mearth rückte näher. Der Wind hatte im Lauf der Jahrhunderte die Überreste der Verteidigungsanlagen abgefeilt, bis Bollwerk, Mauern und Bogengänge wie umgestürzte Skelette aussahen und halb unter dem Sand begraben waren. Die Zitadelle war nicht sehr groß, doch die Ausmaße der herabgestürzten Steinquader wiesen auf Erbauer hin, die größer als Menschen gewesen sein mußten.
    Arithon erklomm die letzte Erhebung. »Nach den Schriften waren die Bewohner Mearths Edelsteinschleifer von unerreichter Kunstfertigkeit. Der Sündenfall eines Zauberers soll für den Fluch verantwortlich sein, der die Einwohnerschaft heimgesucht hat. Bettler, Händler und Fürsten, sie sind alle umgekommen. Leider enthalten die Schriften in Rauven keine Einzelheiten.« Mit einem flüchtigen Ausdruck der Sorge betrachtete er Lysaer. »Ich weiß nicht, was wir dort vorfinden werden.«
    Lysaer kletterte vorsichtig die steile Düne hinab. »Der Ort scheint jedenfalls verlassen zu sein.«
    Nur von der Stimme des Windes begleitet, erreichten die Halbbrüder die verfallene Öffnung, die einstmals den äußeren Torweg gebildet hatte. Hinter ihr erstreckte sich eine breite Prachtstraße, die von einer Säulenreihe begrenzt wurde, über der sich der freie Himmel wölbte. Nichts bewegte sich. Der Geruch erhitzten Gesteins hing in der Luft. Ihre Schatten zogen langgezogen vor ihnen her, als sie die Stadt betraten, und der Wind seufzte über Tausende von verlassenen Herden.
    Arithon ging um die herabgefallene Statue eines einstigen Idols herum. »Verlassen vielleicht«, sagte er schließlich. »Aber nicht tot. Wir sollten uns beeilen.«
    Da ihm das Bewußtsein der Zauberer fehlte, fragte sich Lysaer vergeblich, wie Arithon zu dieser Erkenntnis gekommen war. Er ging an der Seite seines Halbbruders durch die Reihen zerstörter Höfe, vorbei an gesichtslosen Plastiken und eingestürzten Säulengängen. Die Stille schien sein Gehör zu ersticken, und das Geräusch ihrer Schritte auf dem

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