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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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unterdrückte jeden Schrei.
    »Mögest du nach Sithaer fahren, verdammt, halt still!«
    Arithon öffnete die glasigen Augen und erkannte vor sich das Gesicht seines Halbbruders s’Ilessid. Blut verschmierte die Hand, die sich von seinen Lippen entfernte. Über alle Maßen entsetzt sog der Herr der Schatten die Luft in seine ruinierten Lungen und wisperte: »Schachmatt.« Schmerz zerrte an seinen Worten. »Hat dich Aths Großzügigkeit zurückgebracht, oder war es sein Mitleid?«
    »Weder noch.« Mit professionellen Handgriffen knotete Lysaer aus dem Fischermantel eine Schlinge. »Besser wir finden bald ein Tor.«
    Arithon starrte in die kalten blauen Augen. »Laß mich. Ich habe dich nicht gebeten, mir zu helfen.«
    Lysaer ignorierte seine Worte. »Ich habe Wasser gefunden.« Er zog das Schwert aus dem aufgeschlitzten Schlauch und schob es in die Scheide an Arithons Gürtel zurück. »Was du mit deinem Leben machst, ist deine Sache, aber ich will nicht für deinen Tod verantwortlich sein.«
    Arithon fluchte geschwächt. Der Prinz verknotete die Ecken des Mantelstoffes, erhob sich und zerrte seinen Halbbruder nordwärts über den Sand. Ein gnädiges Schicksal raubte Arithon sogleich erneut das Bewußtsein.
     
    Von knorrigen Zweigen beschattet lag der Brunnen wie ein Juwel in einem Hain alter Bäume. Lysaer war über diesen Ort nur zufällig gestolpert. Erpicht darauf, mit seiner Last zurückzukehren, ehe die Nachtwinde seine Spur verwischen konnten, hetzte er nun halb rutschend die Dünen hinab, um auf der anderen Seite mühevoll die nächsten zu erklimmen. Er atmete stoßweise. Die trockene Luft stach in seinen Gaumen. Endlich, müde und schmerzerfüllt, zerrte Lysaer seinen Halbbruder in den Schatten der Bäume.
    Lysaer wußte, daß dieser Hain das Werk eines Zauberers war. Von den Wüstenwinden unberührt raschelte nicht einmal das Gras, das zwischen den Wurzeln der Bäume wuchs; das Laub über ihren Köpfen hing wächsern und still an den Zweigen. Hier regierte Stille, gebunden von Gesetzen, die selbst die Dünen jenseits der Bäume vergänglich erscheinen ließen. Nur die Not hatte den Prinzen früher dazu veranlassen können, sein Mißtrauen gegenüber der Zauberei zu zügeln. Nun ließ ihm Arithons Zustand keine Wahl. Die heilsamen Eigenschaften der Quelle mochten ihn gesunden lassen.
    Am Ende seiner Kräfte hatte Lysaer bei seinem ersten Besuch an diesem Ort festgestellt, daß ein einziger Schluck aus der marmornen Fontäne seine Erschöpfung, seinen Durst und all das körperliche Leid aus fünf Tagen in der Wüste zu bannen vermochte. Als die Mittagshitze verging, die vielschichtigen Illusionen sich verzogen und die Umrisse eines verfallenen Turmes seiner Sicht freigaben, wußte der Prinz, daß Mearth tatsächlich existierte. Wenn ihm auch der Schutz durch den Herrn der Schatten von Anfang an zuwider gewesen war, so erlaubte es das Gerechtigkeitsempfinden eines s’Ilessid Lysaer doch nicht, ihn einfach zum Sterben zurückzulassen.
    Der Prinz kniete nieder und öffnete den Mantel. Ein wispernder Lufthauch deutete darauf hin, daß Arithon noch immer atmete. Seine Haut war trocken und kalt, sein Leib erschreckend schlaff. Blut floß tröpfchenweise aus seiner Nase und seinem Mund, als Lysaer seine ausgemergelten Schultern an den efeuberankten Marmorrand des Brunnens legte.
    Silbrig und bewegungslos wie poliertes Metall füllte das Wasser das Becken bis hin zum goldbesetzten Rand. Lysaer formte seine Hände zu einer Mulde und tauchte sie in das Wasser. Ringe breiteten sich auf der Oberfläche aus. Er zog die Hände zurück, und ein Tropfen fiel auf die staubverdreckte Wange des Herrn der Schatten. Dann strömte das Wasser zwischen den Fingern des Prinzen hervor und benetzte Arithons Kehle hinter den geöffneten Lippen. Arithon richtete sich augenblicklich auf. Seine Muskeln spannten sich unter Lysaers Arm wie Bogensehnen. Keuchend schlug er die Augen auf, die hart und dunkel wie Turmalin glänzten. Ein Krampf schüttelte seinen Leib. Taub für den alarmierten Aufschrei des Prinzen drehte er sich zur Seite und schlug seine schlanken Musikerfinger vor das Gesicht.
    Lysaer packte die Schultern seines Halbbruders. »Arithon!«
    Die schützenden Hände des Herrn der Schatten fielen herab. Mit leichenblassem Gesicht setzte er sich auf. Ohne sich um die Sorgen seines Halbbruders zu kümmern, drehte er sich um und starrte den Brunnen an.
    Arithon sog tief die Luft ein, und das Blut verschwand aus seiner Lunge, als

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