Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten
Begegnung, knurrte Dakar eine weitere Obszönität. »Das ist nicht fair«, fuhr er dann in einem angestrengten Tonfall fort, der nicht nur auf sein Übergewicht, sondern auch auf seine äußerst unbequeme Lage zurückzuführen war, lag er doch kopfüber auf dem Sattel und hatte sich inzwischen bereits den Bauch wundgerieben. »Ihr seid dafür bekannt, Dämonen zu vernichten, und das wissen die auch. Sie würden Euch niemals ernsthaft angreifen.«
Asandir zog eine Braue hoch. »Aber du bist eine Verlockung für sie. Du hast dein Temperament nicht im Griff, und das ist ihnen bewußt.«
Dakar wand sich, konnte sich jedoch nicht in eine bequemere Haltung lavieren. »Werdet Ihr mich nun losbinden?«
»Bist du denn nüchtern genug, um im Sattel zu bleiben?« Der Zauberer richtete seine undurchdringlichen, silbergrauen Augen auf seinen fehlgeleiteten Schüler und schüttelte den Kopf. »Ich denke, es wäre ganz angemessen, wenn du noch eine Stunde über die Folgen deines unpassenden Trinkgelages nachdenkst. Ich habe unsere beiden Gäste auf dem Pferdemarkt in Westende gefunden.«
Dakars Augen weiteten sich wie die eines beleidigten Spaniels. »Verdammt, Ihr seid herzlos. Was kann ich denn dafür, wenn ein paar Fremde sich nicht an Eure Anweisungen halten?«
Asandir ergriff die Zügel des Rappen und versetzte der gescheckten Stute Dakars schweigend einen Klaps auf den Schenkel. Dann ritt er, ohne sich noch einmal umzudrehen im Trab voran, was Dakars Schädel infolge der Nachwirkungen heftigen Alkoholgenusses zu sprengen drohte. Taub für das Gejammer seines Schülers wandte er sich Lysaer zu und versicherte ihm, daß der Iyat nicht zurückkehren würde, um sie weiter zu attackieren.
»Sie ernähren sich von natürlichen Energiequellen – Feuer, fließendes Wasser, Temperaturveränderungen – der, den wir hinter uns gelassen haben, ist derzeit ziemlich ausgehungert. Wenn er nicht auf ein Gewitter trifft, dann wird er einige Wochen lang nicht genug Kraft haben, um Ärger zu machen.«
Die Reiter zogen durch den grauen Nachmittag weiter gen Westen. Obwohl sie unterwegs eine Pause machten, um sich ein Mahl aus Brot und Wurst aus ihrem Proviantsack zu bereiten, erfuhr Dakar keine Gnade, bis sie in der Abenddämmerung schließlich die Pferde absattelten und sich ein Lager aus kleinen Lederzelten bereiteten. Erschöpft von den vielen Stunden der Klagen und Verwünschungen, kauerte er sich nur noch am Lagerfeuer zusammen und fiel sogleich in tiefen Schlaf. Ebenfalls müde und lendenwund von dem ungewohnt langen Ritt, krochen Lysaer und Arithon unter ihre Decken und lauschten den Rufen eines fremdartigen Nachtvogels, die über die öde Marschlandschaft hallten.
Trotz des langen und anstrengenden Tages lag Lysaer mit weit geöffneten Augen hellwach in der Dunkelheit. Die Stille selbst ließ ihn vermuten, daß Arithon ebenfalls nicht schlief, sondern mit dem Rücken zur Zeltstange auf seinem Lager hockte, also drehte sich der Prinz auf den Bauch und sagte: »Du glaubst, daß der Zauberer noch etwas anderes mit uns im Sinn hat, als nur die Vernichtung des Nebelgeistes Desh-Thiere.«
Arithon wandte den Kopf, doch Lysaer konnte in der Dunkelheit seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. »Dessen bin ich sicher.«
Lysaer stützte sein Kinn auf seine zu Fäusten geballten Hände. Das Kitzeln der ungewohnten Bartstoppeln störte ihn. Müde und resigniert schob er sein Verlangen nach seinem Kammerdiener von sich und beschloß, sich auf die aktuellen Probleme zu konzentrieren. »Du klingst, als wärest du davon überzeugt, daß unser Schicksal nicht sehr erfreulich verlaufen wird.«
Stille. Arithon bewegte sich, zuckte möglicherweise mit den Schultern.
In einer Reaktion unwillkürlichen Mißtrauens streckte Lysaer eine Hand aus und rief nach seiner Gabe. Ein heller Stern leuchtete in seiner Handfläche auf und erhellte das Innere ihres Zeltes.
Überrascht schrak Arithon zurück, einen Ausdruck ertappter Sehnsucht in seinen Zügen.
Lysaer richtete sich auf. »Ath, woran denkst du denn bloß? Du hast den Pesthauch erlebt, den der Nebel über dieses Land gebracht hat. Auf Ehre und Gewissen, kannst du dich von der Not dieser Menschen einfach abwenden?«
»Nein«, entgegnete Arithon viel zu sanft. »Und genau das ist es, womit Asandir rechnet.«
Bestürzt über die quälende Verwirrung, die sich nur unzulänglich hinter Arithons Worten verbarg, vergaß Lysaer seinen Zorn. Es mußte Freunde geben, Familie, die der Herr der Schatten
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