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Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts

Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Kleider und Benehmen wurde von ihr gefordert; oder Morriels Beobachtungen würden keinen Nutzen erbringen, ihre feinsinnige Kette der Schlußfolgerungen wäre übersät mit falschen Spuren und Informationen. Wenngleich jede Koriani-Novizin lernte, sich aufs genaueste zu erinnern, war doch die Reproduktion der Bilder für eine Charakteranalyse eine Aufgabe, die üblicherweise nur den ganz altgedienten, reich begabten Seniorinnen übertragen wurde. Die Gefahren einer solchen Tat waren kein Geheimnis. Das Ritual entfesselte Emotionen, konnte und hatte bereits die Teilnehmerinnen mit einer tiefen Einsicht verwoben, die es beinahe unmöglich machte, dem Band der Sympathie, das die Erinnernde mit dem Objekt der Beobachtung verband, zu entrinnen. Als balancierte sie am Rande einer Höllengrube, die ihren Geist in die ewige Verdammnis locken wollte, kämpfte Elaira gegen ihre unbändige Verzweiflung an. Wenn dies die Prüfung war, mit der die Oberste Zauberin feststellen wollte, ob sie ihre Zuneigung zu Arithon s’Ffalenn ausgemerzt hatte, so war sie zu hart, kam viel zu früh.
    Wind jaulte durch die verbretterten Fenster; über der rauschenden Brandung flog klagend eine Seemöwe durch die Dunkelheit. Elaira erschauderte, während Morriels starrer Blick noch immer an ihren Nerven zerrte.
    Einer direkten Anordnung der Obersten Zauberin zu widersprechen, hieß, die sofortige Zerstörung herbeizuflehen. Von ihrer Furcht vernichtend geschlagen und verfolgt von Lirendas feindseligem Wunsch, sie am Boden zu sehen, verbeugte sich Elaira vor Morriel, der Obersten. »Wie Ihr es wünscht.«
    Die Matriarchin der Schwesternschaft sagte nichts, während sie den Kristall an ihrer Kette hob und den Verschluß in ihrem Nacken öffnete. Mit ihren Vogelknochenfingern schnippste sie nach Quen, der eilends vortrat und Elaira eine kleine Steinpfeife und ein versiegeltes Zinngefäß überreichte, in dem sich Tabak befand, der in Wasser, vermengt mit Tienelle-Extrakt eingelegt war. Weniger kraftvoll als die getrockneten Blätter war die Mischung, die von den jungen Novizinnen benutzt wurde, immer noch giftig genug, allerlei unangenehme Nebenwirkungen mit sich zu bringen.
    Elaira tauschte die Utensilien gegen ihren zerfetzten Wurstbrocken aus, und diesmal fand sie keine Dankesgeste für den Schwachsinnigen.
    Nicht unfreundlich sagte Morriel: »Mach dich bereit, soweit du dazu fähig bist. Haste nicht. Wenn du von der Droge unterstützt in Trance geglitten bist, können wir beginnen.«
    Minuten später, als der helle Rauch der Pfeife sich durch den Moderdunst des Lagerhauses kräuselte, schlief Quen zusammengerollt wie ein Hund neben der Tür.
    Nicht minder achtlos, wenngleich tödlich blaß, saß Elaira mit überkreuzten Beinen am Boden, die Augen geschlossen und den Rücken hochaufgerichtet gegen das Färberfaß gelehnt. Die Kraft ihrer Selbstdisziplin war unübersehbar, als sie die Pfeife zur Seite legte und auf die langsame, gemessene Art zu atmen begann, die den vollen Zugriff auf die erweiterte, glasklare Wahrnehmung anzeigte, die das Gift in dem herben Rauch ihr ermöglichte.
    In der Dunkelheit unter dem Glimmen der Fackeln, sagte Lirenda: »Ihr wart nachsichtig mit ihr.«
    Morriel seufzte. Mit zarten Gliedern unter schweren Tüchern durchquerte sie den Raum und sank in die Kissen, die ihr Diener für sie vorbereitet hatte. »Meinst du?« Die Stimme, die noch kurz zuvor so klar und deutlich geklungen hatte, wirkte nun verärgert und müde.
    Spät rührte sich Lirenda, um sich um die Behaglichkeit ihrer Obersten zu bemühen.
    Doch als sie sie erreichte und ihr mit den Decken zur Hand gehen wollte, wehrte Morriel sie ab. »Du schenkst deinem Herzen keine Beachtung, Erste Zauberin. Das ist dein wahrhaft kostspieligster Fehler.«
    Die Überraschung zwang Lirenda, noch einmal nachzudenken. »Dann soll Elaira denken, ihr wäre vergeben, daß sie sich der Ablenkung des Fleisches hingegeben hat, ganz zu schweigen von der Möglichkeit, daß sie den Plünderer Asandir begünstigt haben könnte?«
    Morriel klatschte ihre schmalen Hände zusammen. Als sie aufsah, waren ihre Augen leer. »Elaira hat sich einen Jux erlaubt, der sie bedauerlicherweise zur falschen Zeit an den falschen Ort geführt hat. Sie ist intelligent und begabt mit einer Einsicht, die so selten wie wahrhaftig ist. Diese Kraft führte sie dahin, in die Tiefe der Seele des s’Ffalenn-Thronfolgers zu blicken und zuzulassen, daß er sie berührte. Ich wage zu behaupten, daß die Gründe

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