Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
gerodeten Berghanges. Braun und unauffällig vor dem Hintergrund abgehackter Rinde und welker Grünpflanzen ließ eine Gruppe barbarischer Kundschafter von den Stämmen ab, die sie in sechs Fuß lange Abschnitte gehackt und auf Schlitten geladen hatten. Gerade fingen sie an, sich auf einer Lichtung zu versammeln, auf der der einzige Mann unter ihnen, der nicht von der Arbeit schmutzig war, vor der Klinge seines eigenen gezogenen Schwertes kniete.
Ein Schrecken des Erkennens durchzuckte ihre Nerven, als Elaira Arithon s’Ffalenn erblickte. Neben ihm stand die massige Gestalt des mächtigsten Barbaren des Nordens, hochaufgerichtet und voller Unruhe: Steiven s’Valerient, Caithdein von Ithamon und höchster Clanführer der Clans von Deshir.
»Aber das ergibt keinen Sinn.« Elaira vergaß ihre Mahlzeit. Nur einen Atemzug von donnernden Kopfschmerzen entfernt, hob sie ihre Hände, um sich die Schläfen zu massieren. »Die Clans in Strakewald sind kein nennenswerter Gegner gegenüber der Macht Etarras.«
»Sie denken anders.« Morriel zog ihr Juwel zurück. Der Zauber, der ihre Hellsichtigkeit offengelegt hatte, brach zusammen, und die Wälder verschwanden und ließen nur Wasser zurück, das über dem blutdunklen Schlamm alter Farbe plätscherte und funkelte. »Drei Täler entlang des Tal Quorins sind mit Baumfallen versehen worden. Krieg steht kurz bevor. Die Prinzen, die von der Bruderschaft so liebevoll aufgenommen wurden, gehen sich nun gegenseitig an die Kehle.«
»Nein.« In schmerzlichem Protest reckte Elaira ihr Kinn vor. »Die Sieben würden nicht …« Sie brach ab und kämpfte gegen die Furcht an, mit diesem Ausrutscher bereits ihre vergangene Vertraulichkeit mit Asandir verraten haben zu können. »Die Zauberer werden doch gewiß intervenieren, wenn ihre Prinzen im Mittelpunkt dieser Angelegenheit stehen.«
»Ah«, sagte Morriel, wobei sie ihre eigene Entdeckung wohl verbarg, wenngleich Lirenda auf der anderen Seite des Lagerhauses bereits recht selbstgefällig blickte. »Aber die Zauberer sind alle aus Etarra geflüchtet. Wie Ratten von einem sinkenden Schiff, haben sie ihre Verantwortung in dem Augenblick im Stich gelassen, als Desh-Thieres Fluch von den Halbbrüdern Besitz ergriff.«
Morriel schwieg kurze Zeit, und ihre stechenden, farblosen Augen zuckten kurz, um Elairas gespannte Züge zu erfassen. »Dein Freund Asandir hat einen Fehler begangen.«
Die Unterstellung einer kollaborativen Beziehung zu einem Bruderschaftszauberer blieb unbemerkt im Hintergrund des Widerspruches, der in Elairas Gedanken tobte: die Macht, der sie im Hause Enithen Tuers begegnet war, war kaum der geeignete Kandidat, Fehler zu begehen. Wenn die Bruderschaft der Sieben sich zurückgezogen hatte, so mußte sie diesen Schritt wohl erwogen haben.
Morriels Augen hielten ihren Blick fest wie die einer Schlange. So der scharfen Kälte der Obersten Zauberin ausgeliefert, die fähig war, jede Feinheit zu erkennen und die scheußlichsten Wahrheiten hervorzulocken, bekämpfte Elaira ihre bebenden Nerven und ihre Furcht. Zu spät, beide Hände voller Angst um den kalten, steinernen Rand des Färberfasses geklammert, wartete sie, um eines weit schlimmeren Vergehens als eines dummen, romantischen Zusammenseins Willen angeprangert zu werden.
»O ja, die Wahrheit jenseits deines heimlichen Besuches in der Taverne zu den Vier Raben im letzten Herbst ist uns bekannt.« Die Oberste legte ihren Fokusstein in ihren Schoß, wobei ihre gekrümmten, gelben Fingernägel Geräusche auf seiner Oberfläche erzeugten. »Im Licht der nun eingetretenen Ereignisse erachten wir deinen Besuch bei Asandir jedoch als zu geringfügig, ihn zu ahnden. Da die Taten des s’Ffalenn und des s’Ilessid die Volksgruppen Rathains zu den Waffen gerufen haben, müssen wir den Charakter beider Prinzen untersuchen. Unsere Schwesternschaft muß erfahren, wie die fünf Jahrhunderte des Exils die königlichen Geschlechter der Bruderschaft verändert haben.«
Der lang erwartete Schlag traf sie schließlich, als Morriel ihre Kleider raffte und sich erhob. »Du wurdest gerufen, weil du, Elaira, als unsere einzige Novizin, den beiden Prinzen nahe genug warst, diese Aufgabe zu übernehmen.«
Verblüfft und mit einem Gefühl, als wären ihre Eingeweide in Aufruhr, stieß sich Elaira von dem Färberfaß ab. Mit Leib und Seele gehörte sie dem Orden von Koriathain, doch diese Anordnung drohte sie zu zerstören. Perfekte, unvoreingenommene Erinnerung an der Prinzen Züge,
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