Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
dahindonnernden Schlachtrösser. Dichtgedrängte Karrees der Truppen glänzten mit neunzig Lanzenreitern, vierhundert Armbrust- und Bogenschützen und etwa zweitausend Speerkämpfern. Ganz im Inneren ihres Schutzes rollten die Versorgungswagen einher, gefolgt von der taktischen Unterstützung, bestehend aus tausend Mann leichter Kavallerie, unter dem schwarzen Banner des nordischen Kopfjägerbundes.
Selbst das Wetter war ihnen gesonnen. Der letzte Frühlingsregen hatte aufgehört, und die Flüsse plätscherten seicht und gemütlich dahin.
Am Horizont stieg die Sonne auf, vor deren Licht sich im Osten die schwarzen Bäume am Rande des Strakewalds abhoben. Für eine Weile, während sich die Luft erwärmte, marschierten die Truppen knietief durch den Nebel, der die Weiden mit seinem blaugrauen Dunst überzog. Spät erst hob er sich aus den Niederungen und gab den Blick auf die Ausläufer der Berge und das taubedeckte Gras des frühen Sommers frei, in dem hier und dort rote Blüten und wettergegerbte Felsen zu sehen waren. Wenn auch das Land felsiger war als Daon Ramon, trug doch die Ebene von Araithe die Jahreszeit gleich einem Umhang aus Seide, üppig bedeckt mit Blumen und einem, die Sinne überwältigenden, lebendigen Grün.
Lysaer blickte über das Land, das noch nicht von der voranpreschenden Menschenmenge seines Heeres zertrampelt worden war. In dem Land seiner Väter, Amroth, wäre ein so nahrungsreicher Grund längst von Schafen kahlgefressen worden. Er schwor sich, daß, sollten barbarische Raubzüge für das Fehlen der Schafherden verantwortlich sein, sein Feldzug gegen Arithon auch dies korrigieren würde. Erst danach stellte er bei einer verspäteten Neubeurteilung fest, daß auf diesen Bergen, wenn sie jemals als Weidegrund gedient hätten, überall Überreste von Steinmauern und Schafhürden zu finden sein mußten.
Doch dort war nichts, nicht einmal die Fundamente verfallener Landhäuser.
Diese Felder waren möglicherweise schon seit der Zeit der ersten Schöpfung Aths von Menschenhand unberührt geblieben. Die Frage, warum ein so sattes Weideland nicht genutzt wurde, verwirrte Lysaer, bis er durch Hufschlag von seinen Gedanken abgelenkt wurde, als ein Vorreiter in gestrecktem Galopp zurückkehrte.
Ruckartig ließ der Kundschafter sein Pferd kehrtmachen und zügelte es dann im Gleichschritt neben Gnudsog. »Euer Lordschaft«, salutierte er Diegan, ehe er sich an seinen Feldkommandanten wandte. »Hauptmann.« Doch als er seinen Bericht ablieferte, der so aufsehenerregend war, ihren Vormarsch aufzuhalten, blickte er Lysaer an.
Sechs Barbarenkinder waren dabei beobachtet worden, wie sie in einer Schlucht flußaufwärts der Furt durch den Tal Quorin Speerübungen vollführten.
»Ein Glückstreffer, Euer Hoheit«, sagte Diegan. Um Verlegenheiten vorzubeugen gönnte er Lysaer die Höflichkeit, ihn mit dem Titel anzusprechen, der ihm nach Geburt zustand. Da es keine Ehrentitel von niederem Rang gab, deren Benutzung von den Teilhabern an einer Konversation, wie sie nur unter Gleichen schicklich war, als erniedrigend hätte empfunden werden können, hatten sich auch andere Würdenträger Etarras dieser Wortwahl angeschlossen. »Daß wir die Barbaren so leicht finden und überraschend angreifen können.«
Einer Galionsfigur gleich saß Gnudsog unerschütterlich auf seinem Roß, doch nun runzelte er mißbilligend die Stirn. »Clankundschafter sind niemals so nachlässig.«
»Die älteren, sicher«, stimmte Lysaer zu. Sein klarer Blick richtete sich auf den Späher. »Aber Kinder? Was denkst du, wie alt sie waren?«
Die Antwort erfolgte ohne Zögern: Der Älteste hatte keinen Tag älter als zwölf ausgesehen.
»Die Ratten sollen sie holen und alles Unglück sich an ihre Fersen heften.« Gnudsog erschlug einen Moskito, dem gerade genug Zeit geblieben war, auf seinem Pferd zu landen, nicht aber, zuzustechen. »Deshirs Kundschafter kennen jeden Zentimeter dieses Landes. Höchstwahrscheinlich gehören sie zu einem Lager, das weiter weg im Hinterhalt lauert.«
»Gegen eine ganze Armee?« Diegan grinste, und die güldenen Verzierungen seines Helmes verliehen ihm gemeinsam mit dem Federschmuck an Zügeln und Zaumzeug das Aussehen eines tollkühnen Helden. »Die Chancen wären kaum fair verteilt.«
»Barbaren spielen nicht fair«, mischte sich verdrossen eine Stimme aus dem Hintergrund ein. »In dieser Gegend ziehen sie Gruben mit angespitzten Pflöcken vor, Fallen, die einem Mann die Eingeweide herausreißen
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