Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts

herbei.
    Gleich einem feurigen Blitz bohrte sich sein Licht in die Schlucht hinab und jagte in das verkohlte, geschwärzte Leder der Zelthäute. Flammen explodierten. Funken stoben auf und ein Sperrfeuer tiefklingender Donnerschläge erschütterte die Luft. Wo gerade noch Häute in Flammen gestanden hatten, brannte nun nichts mehr. Wenn auch dieser Blitz niemandem ein Leid zugefügt hatte, zeigte sich doch am Boden, inmitten aschebedeckter Zeltpfosten, unter dunklen Rauchschwaden ein verkohlter Kreis, wo gerade noch die niedergemetzelten Leiber kleiner Kinder gelegen hatten.
    Die Schreie aus der Schlucht waren verstummt. Mitten im Akt der Begierde fühlten die Männer plötzlich, wie das Fleisch geschändeter Mädchen durch die Hitze zusammenschrumpfte, und während sie voller Entsetzen zurückwichen, bemerkten sie erst ihr versengtes Haar, die Verbrennungen ihrer Haut und die Brandmale auf den äußeren Teilen ihrer Rüstungen.
    In dem bestürzten Schweigen, nur durchbrochen durch ein leises, furchtsames Wimmern, erteilte Lysaer knappe Befehle: »Städter! Bedeckt Eure Blöße und laßt ab. Diejenigen von euch, die bekleidet sind, werden einen Kreis bilden, in dessen Innerem sie alle Mädchen und Frauen beschützen werden. Ihr werdet sie nicht mehr berühren als notwendig. Um eures eigenen Lebens willen, tut was ich sage.«
    »Ihr könnt sie doch nicht gehen lassen«, protestierte Pesquil, in dessen leicht zitternder Stimme nichts mehr von dem vorangegangenen Spott zu hören war.
    Lysaer sah ihn an. »Nein.« So bar jeder Verächtlichkeit wie Dharkaron, der Racheengel, fügte er hinzu: »Aber ich will sie ehrenvoll töten.«
    »Und aus welchem Grund, Hoheit?« Nun wieder starrsinnig wie eh und je trieb Pesquil seinen Dolch bis zum Heft in den Schmutz. »Wir müssen immer noch mit den Clanmännern fertig werden.«
    »Sie werden kommen.« Sein leidenschaftsloser Blick richtete sich wieder in den Abgrund hinab, in dem die halbnackten Mädchen und Frauen nun zusammengetrieben wurden. »Ich werde Steivens Barbaren herbeilocken. Und wenn ich das tue, so seid versichert, daß der s’Ffalenn-Bastard mit seinen Schatten keine andere Möglichkeit hat, als mit ihnen zu gehen.«

 
Drei Täler
     
    Schweißüberströmt nach einem anstrengenden Lauf, erreicht der Bote, der aus dem westlichen Tal geschickt worden ist, die Brustwehr, an der Caolle und die Mehrzahl der Clankrieger Deshirs sich ohne die Unterstützung durch Zauberei oder Flut der rechten Flankendivision erwehren, die über dreimal soviel Männer verfügt. »Sagt Lord Steiven«, ruft er, »Euer Prinz schickt mich. Arithon denkt, Ihr solltet wissen, daß die Katastrophe, die er vorhergesehen hat, nicht aufgehalten werden konnte …«
     
    Durch die Wälder hastend, unterwegs zu der Schlucht, in der die Frauen und die kleinen Kinder zu ihrem Schutz verborgen worden waren, hören Arithon, Jieret und elf Clankrieger Schreie und Männergebrüll, das ganz plötzlich aufhört, als ein Lichtblitz durch die Bäume fährt; Donnerschläge erschüttern die Erde und ersticken Arithons entsetzte Abwehr: »Lysaer, o Ath, nicht Lysaer!«
     
    In dem Tal, westlich des Tal Quorin, zerfällt eine schattengewirkte Barriere, und eine halbe Kompanie vormals belagerter etarranischer Soldaten gruppiert sich neu, um nun ungehindert und wildentschlossen eine Handvoll feindlicher Clankrieger anzugreifen, die sich nicht länger hinter Zauberei verstecken und ungestraft ihrem Zerstörungswerk nachgehen kann …

 
    Wollt’ nie sich vermählen,
    Nicht ruh’n noch Muße tun,
    Sondern erlösen der Toten verwirrte Seelen,
    Und schmücken ihr kaltes Fleisch mit Blumen.
     
    Letzte Strophe,
    Ballade von der Prinzessin von Falmuir
     
8
GIPFEL
     
    Donnergrollen war zu hören, Lichtblitze verhüllten die Schlucht, und gesunde Bäume verbrannten zu ausgezehrten Skeletten. Auf sicherem Grund, weit genug entfernt, hoch oben auf dem Felsgrat, wurde Arithon durch ein Flackern aufgehalten. Schnell packte er den Jungen Jieret am Kragen seiner Lederrüstung und zog ihn mit einer Verzweiflung, zu furchtbar, ausgesprochen zu werden, fest in seine Arme. Rund um die Gestalten, die einander fest umklammert hielten, flackerten die Blitze auf, ehe das Licht wieder erstarb. Böen erlagen dem Niedergehen abgelöster Blätter, während Echos durch die Kette der Täler des Tal Quorin hallten. Arithon preßte seine Wange in das rote Haar, und die Waise im festen Griff seiner Hände, das Kind, mit dem ihn ein