Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
eilen, das scheinbar das Opfer eines Fehltrittes geworden war.
In angespanntem Schweigen, das durch die Tatsache, daß er es nicht einmal wagte, nervös zu zappeln, um so gefährlicher erschien, verbrachte Pesquil einen Augenblick mit wilden Überlegungen. Er wartete, bis die Kundschafterin den gefährlichsten Teil des Abstiegs hinter sich gebracht hatte, ehe er den Schützen am Handgelenk berührte. »Noch einmal«, flüsterte er. »Aber dieses Mal nicht so sauber. Sorg dafür, daß sie schreit!«
Gedämpft unter einem geliehenen Wappenrock spannte der Schütze seine Waffe. Mit ausdruckslosem Gesicht und schweigsamer Konzentration wählte er einen neuen Pfeil und strich die Federn glatt. Dann hob er die Armbrust und schoß absolut gelassen noch einmal.
In den Leib getroffen und vor Schmerzen schreiend, stürzte die Frau mit den Armen rudernd hinab.
»Bewegt euch!« befahl Pesquil seinen Männern. »Schnell, verteilt euch und laßt die Felsen nicht aus den Augen.« Neben ihm legte der Schütze einen neuen Pfeil ein. Seine Anweisung lautete, die Frau sofort ins Jenseits zu befördern, sollte ihr Geheul auch nur im mindesten zusammenhängend klingen.
In der zerknautschten, feuchten Wattierung unter seinem Kettenhemd schwitzend und wundgescheuert, knirschte Lysaer mit den Zähnen und enthielt sich eines Kommentars. Auch Abscheu entließ einen Mann nicht aus seiner Verantwortlichkeit. Im Sinne seiner beeidigten Absicht, Arithon s’Ffalenn zu zerstören, hatte er Pesquils Überfall auf das Clanvolk gebilligt. Ganz gleich, wie wenig ihm das auch gefiel, gebot ihm die Pflicht, die Sache bis zum Ende durchzustehen.
Erneut betätigte der Armbrustschütze den Auslöser. In der wiedereingetretenen Stille erklang erneut das Brodeln und Säuseln des Flusses, der sich seinen Weg durch Untiefen und um Felsen herum bahnte. Pesquil spielte mit einem grünen Zweig, während seine Späher ihm berichteten.
An drei verschiedenen Stellen zwischen den Felsen war Bewegungen entdeckt worden. Im Schutz einer unterhöhlten Uferböschung, von der aus die Stümpfe alter Bäume sich trunken auf der wirbelnden Oberfläche des Stromes spiegelten, schickte Pesquil seine Kopfjäger erneut auf die Pirsch. Auf der Basis ihrer Erkenntnisse nutzte Pesquil seinen nunmehr blattlosen Zweig, um zwischen seinen Füßen eine grobe Karte auf die Erde zu zeichnen. »Wir werden folgendermaßen vorgehen.« Die Anweisungen, die er seinen Leuten nun gab, löschten jeden Gedanken daran aus, daß er seine Position durch die Gefälligkeit etarranischer Würdenträger erhalten haben könnte.
Mit einer Geschwindigkeit, die Lysaer schier unglaublich erschien, wurden die Kopfjägerverbände herbeigerufen, die stromabwärts gewartet hatten. Gleich darauf verteilten sie sich dergestalt, daß sämtliche Klippen über der Schlucht von Armbrustschützen besetzt waren. Pesquils Plan funktionierte wie ein Uhrwerk: Der frontale Angriff diente nur der Ablenkung; gleich bei den ersten Kampfhandlungen erfuhren sie, daß sich in den Grotten nur weibliche Krieger und kleine Kinder aufhielten; doch Pesquil vermochte das nicht zu beruhigen. Ehe er gemeinsam mit Lysaer den Fluß mit Hilfe gespannter Seile überquerte, bemerkte er mit affektiertem Grinsen: »Mann, nun denkt nur nicht, wir könnten mit einem einfachen Sieg rechnen. Clanschlampen kämpfen wie Teufel.«
Auf der anderen Seite des Flusses teilten sich die Männer in Gruppen auf, um den Felsen zu erklimmen. Angesichts Lysaers verbundenem Arm, kommandierte Pesquil Kundschafter dazu ab, einen einfacheren Weg für ihn zu suchen. Schmerz und Erschöpfung überlagerten nun den ersten dumpfen Schock der Verwundung, und Lysaer bewegte sich, grau im Gesicht, nur noch mühsam voran. Trotzdem wollte er nicht zulassen, daß die Männer langsamer gingen. Mit unsicheren Schritten, ständig in Gefahr zu stürzen, arbeitete er sich stöhnend bergan, vorbei an verkrüppelten Kirschbäumen, deren Früchte grün geblieben waren; über geborstene und verwitterte Granitblöcke, verwachsene Sträucher und ausgewaschene Felsspalten, in denen kleine Steine unter seinen Füßen nachgaben, und jeder falsche Schritt ließ ihm den Atem stocken. Die Kopfjäger, die ihn begleiteten, mochten diese Aufgabe zunächst verschmäht haben, doch als sie schließlich den Grat erreicht hatten und dort ihren Kommandanten wiedertrafen, hatte Lysaers Entschlossenheit ihren Respekt errungen.
Inzwischen wurden die Männer voll und ganz von ihrer Arbeit in
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