Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
brach so plötzlich wie unwiderruflich. In die drückende Stille hinein sagte Arithon gequält: »Ath, hilf mir, ich mußte doch bleiben. Hätte ich nicht die Schatten gerufen, denkt Ihr denn, daß dann irgendein Clankrieger überlebt hätte, um Euer Klagelied für die Toten Deshirs zu hören?«
»Nun, das liegt jetzt hinter uns«, entgegnete Halliron sanft. »Schuldgefühle nützen niemandem. Das einzige, was ein Mann seiner Vergangenheit abringen kann, ist die Kraft, seine Zukunft zu sichern. Ihr könnt dafür Sorge tragen, daß dieselben Umstände niemals wieder eintreffen können.«
»Ich dachte, daß ich genau das getan hätte.« Arithons Zorn verstärkte sich zu einem Grad, der nur noch Schmerz empfinden ließ. Noch immer quälte ihn der Gedanke, daß Lysaers Tod und damit das Ende der magischen Bande Desh-Thieres durch Jierets Leben hätte aufgewogen werden müssen. Mit rauher, dünner Stimme sagte der Herr der Schatten: »Werdet Ihr nun gehen? Ich bin sicher, ich kann auch ohne Euren Rat überleben.«
»Das mag schon sein. Nur war ich derjenige, der hier als Bittsteller erschienen ist.« Der Meisterbarde faltete die geschmeidigen Hände und betrachtete mit feierlichem Ernst den Boden zu seinen Füßen. »Wenn Ihr Eure Ohren nutzt und Euer s’Ffalenn-Gewissen zum Schweigen bringt, so werdet Ihr erkennen, daß ich ein alter Mann bin. Ich brauche eine starke Hand, wenn mein Ponykarren im Sumpf steckenbleibt. Außerdem sollte jemand bei mir sein, wenn während der Nächte auf meiner Wanderschaft der Regen mein Feuer erstickt.« Ein schelmischer Zug schlich sich kurz in sein Gesicht, als er aufblickte. »Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß Euer Talent nach Unterricht verlangt. Wenn Eure Finger je mehr als nur ein Versprechen bieten sollen, so biete ich Euch den niederen Stand eines Bardenschülers an, Euer königliche Hoheit. Werdet Ihr annehmen?«
Mit einem Ausdruck sturer Ablehnung, doch ohne seine steife Haltung, starrte Arithon ihn an. Dann setzte er sich auf eine Baumfalle, schlug sich den Ellbogen an einem Ast an und verhakte den Fuß in der Schwertscheide, die er vollkommen vergessen hatte. Ein wenig außer Atem, fluchte er erzürnt.
Milde amüsiert, aber auch sonderbar angespannt und verletzbar, kicherte Halliron leise. »Ist die Entscheidung denn so schrecklich? Ihr könnt mir doch wohl kaum erzählen, Ihr wäret überrascht.«
»Nein.« Ein Geräusch, wie ein Würgen oder ein unterdrücktes Lachen entrang sich Arithons Kehle. »Hat der Barde Felirin das zweite Gesicht?«
»Was?« Nun verlor der Meisterbarde die Fassung. Sein Herz spiegelte sich in seinen Augen, und während er gegen panikartiges Zittern ankämpfte, hielt er die Hände so fest gefaltet, daß die Knöchel weiß hervortraten.
Arithon blickte ihn an und grinste. »Nun, ganz einfach. Felirin hat mir ein Versprechen abgerungen, für den Fall, daß Ihr mir jemals eine Ausbildung anbieten solltet.«
»Und?« fragte Halliron in ersticktem Ton. Er hatte beide Hände an seine Kehle gelegt, als könnte er sich so das Atmen erleichtern. »Und?«
»Ich werde wohl zustimmen müssen«, sagte Arithon. »Ich habe in der jüngsten Zeit vieles getan, aber ich habe sicher keinen Eid gebrochen, und überdies ist meine Rechnung bei unserem Herrn des Schicksals bereits hoch genug.«
»Ihr seid ein Teufel!« Halliron sprang so hastig auf, daß sein Instrument einen protestierenden Baßton erklingen ließ. »Und mich laßt Ihr in dem Glauben, Ihr würdet ablehnen.«
»Und Ihr habt mich glauben lassen, Ihr wäret lediglich gekommen, um mir Vorträge zu halten.« Arithon lachte nun, und die Freude, die aus ihm hervorbrach, vertrieb auch die letzte Spur von Abneigung. »Mögen die Dämonen mich holen, aber ich wollte Euch dafür umbringen.«
»Nun, die Chance habt Ihr nun vertan. Ihr tragt die größte Klinge Atheras und denkt nicht einmal daran, sie zu nutzen.« Mit entschlossenen Schritten machte Halliron sich auf den Weg. »Mein Pony und der Wagen liegen in einer Lichtung im Gestrüpp stromaufwärts versteckt. Wenn wir sie erst einmal gefunden haben, werde ich uns einen kräftigen Tee brauen.«
Dann blieb er so abrupt stehen, daß Arithon beinahe gegen ihn geprallt wäre.
»Nein«, sagte Halliron, und seine ausdrucksstarke Stimme klirrte sonderbar. »Nein. Ich brauche keinen Tee. Die Wahrheit ist, daß ich überhaupt keinen Tee will.« An Ort und Stelle in der Dunkelheit löste er die Verschnürung von der Hülle aus geöltem Leder. »Spielt
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