Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
hereinzulassen, und dann noch einmal, als eine stämmige Gestalt in Lederrüstzeug mit beschlagenen Riemen aus ihm hervorbrach – Caolle, wie Arithon an der Wucht seiner Schritte erkannte. Der Clanhauptmann verfügte durchaus über Feingefühl und eine scharfe Auffassungsgabe, doch ohne die schwesterliche Überempfindlichkeit Danias nahm er eher die Haltung eines Steinbrockens ein.
Inmitten des Kreises, unpassend in der eleganten, goldgezierten schwarzen Seide seiner zerschlissenen höfischen Kleider, stand Halliron. Mit der Lyranthe in Händen rief er den Hauptmann.
Doch nun, da Steiven tot war und er selbst die Verantwortung für die Clans zu tragen hatte, beugte Caolle sich niemandem mehr. Mit fliegenden Stiefelstulpen stampfte er über die verbrannte Erde, die Schultern hochgezogen und das Kinn streitbar und kampfbereit vorgereckt.
Hinter ihm sprach jemand Worte des Erbarmens, und schweigend schloß sich der Kreis wieder.
Mürrisch nach den Anstrengungen und dem Mangel an Schlaf, von brennenden Zweigen verwundet und bedeckt von den roten Malen unzähliger Mückenstiche, machte Caolle einen mordlüsternen Eindruck. »Ihr werdet uns verlassen«, knurrte er anklagend.
Arithon mußte ein Winseln zurückhalten, als der barsche Ton seine überempfindlichen Sinne marterte, doch er empfand keinen Zorn. »Ich muß.« Mit einer standhaften Direktheit die es dem Mann unmöglich machte, loszupoltern, blickte Arithon ihm in die Augen. Aus dem Kreis hallte der sanfte, traurige Klang der Lyranthe herüber: Halliron intonierte die ersten Noten des rituellen Gesangs, mit dem die Toten Deshirs der Erinnerung anheimgegeben wurden. Dies war das erste Mal, daß die Clanmänner ihre Gefühle offen zeigten, und es würde unwiderruflich auch das letzte Mal sein.
Die Flucht in das Asyl nach Fallowmere würde gleich im Anschluß an die Zeremonie beginnen.
Caolle wartete, grollend und unduldsam. Dann, als das ergreifende Spiel des Meisterbarden sogar sein brummiges Gemüt traf, verhakte er seine mächtigen Daumen in seinem Schwertgürtel. »Ihr könntet uns wenigstens verraten, aus welchem Grund.«
Unbeirrt betrachtete Arithon ihn noch immer. »Ich denke, das wißt Ihr bereits. Dort, wo ich hingehe, werden auch Lysaers Armeen hingehen.« Er atmete tief durch.
Als bereitete er sich darauf vor, mit Beschimpfungen oder Ausflüchten konfrontiert zu werden, verschränkte Caolle die Arme vor der Brust und umspannte mit den Händen seine muskulösen Unterarme. Er war ein Mann, der seine Kleidung weit und seine Gürtel eng mochte; um so schneller vermochte er die Waffen zu ziehen, die er sichtbar am Leibe trug, während all die, die nicht sichtbar waren, unbeachtet blieben. Er betrachtete seinen schweigsamen Herrscher, und der Blick aus seinen schwarzen Augen war eisern.
Der Prinz von Rathain blieb standhaft. Voller Aufrichtigkeit, wo er zuvor noch geheimnisvoll gewesen war, sagte er: »Ich kann Eure Verluste nie wiedergutmachen, und ich werde Euch auch nicht mit Versprechungen hinters Licht führen, die zu halten ich nicht die Macht habe. Ihr habt mein Leben gerettet und mir ein Königreich geboten. Euer Herzog hat mir seine Freundschaft geschenkt, die noch wertvoller als alles andere ist. Zum Dank habe ich mein Wort als Teir’s’Ffalenn gegeben, die Gaben nicht sinnlos zu vergeuden.«
Seine Sanftheit verbarg einen Willen so hart wie Stahl wie Caolle mit Respekt erkannte. Er erinnerte sich an die Ballade von Falmuir und den schaurigen Anblick in der Schlucht. Eine vage Ahnung veranlaßte ihn, nicht gekränkt zu sein, daß sein Prinz selbst nach der Begegnung mit den Armeen Etarras noch immer zu zurückhaltend war, den Clans sein volles Vertrauen zu schenken.
Auf der Lichtung, in der Mitte des Kreises, erhob Halliron seine Stimme zu einem Tonfall reinster Sorge. Von der Musik überwältigt, verlor Arithon vollends die Fassung. Er schluckte krampfhaft und wandte sich halb ab, beschämt ob der Tränen, die er nicht zurückhalten konnte. Die Musik brach seinen Willen, und seine Gefühle für diese harten, unbeugsamen Männer zerstörten ihn noch weiter. Dann fühlte er Caolles Hand auf seiner Schulter, eine Geste, derer er sich schon so oft bedient hatte, um Jieret zu besänftigen.
»Ihr könntet mein Bollwerk sein«, gab Arithon, verwundbar wie selten zuvor, zu. »Aber nicht gegen Lysaer. Jeder, der mich schützt, wird zu einem Ziel für seine Armeen. Ich kann nicht zulassen, daß Eure großherzigen Clans um meinetwillen ausgerottet
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