Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
…«
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ETARRA
Noch nie hatte der Lordgouverneur von Etarra im Krisenfall einen Gewichtsverlust erlitten. Auch an dem Morgen, an dem der königliche Erbe eintreffen sollte, zwickte der Gürtel um seine Leibesmitte. Eng umspannten seine besten Stiefel die stämmigen Waden, und die Entzündungen seiner Fußballen wurden schlimmer. Kleine Zipperlein konnten sich zu gewaltigen Ärgernissen entwickeln, wenn man gezwungen wurde, sich in der Sonne, die für Brokat viel zu heiß brannte, zur Schau zu stellen. Angerempelt von bangen Stadtministern, die sich auf der Straße und den Randstreifen vor dem Südtor drängelten, quetschte Morfett einen weiteren Seufzer hinter seinem einschnürenden Kragen hervor. Heute war Sethvir der Zauberer, der über seine Pflichten wachte. Gekränkt, daß der Hüter von Althain seine eigenen Ansprüche an feine Bekleidung mißachtete und mit einer abgetragenen und tintenbeschmierten Robe erschien, wie bei seinem ersten Besuch, brummelte Morfett still vor sich hin. Sein Kopf schmerzte, und der Umstand, daß sein goldgesäumtes Scharlachrot sich scheußlich mit dem Kastanienbraun stach, machte es nur noch schlimmer.
Wenigstens hatte Asandir nicht diese Aufgabe übernommen, denn der war noch weitaus rücksichtloser, wenn es um persönliche Empfindlichkeiten ging.
»Asandir wird den Prinzen eskortieren«, beantwortete der Hüter von Althain unheimlicherweise seine persönlichsten Gedanken, und schaute den Lordgouverneur mit verträumten Augen an. »Die Balladen aus der Zeit vor dem Nebel bezeichnen ihn als den Königmacher, denn jeder königliche Kopf in der Geschichte der Menschheit ist von seiner Hand gekrönt worden.«
»Welch unnütze Sentimentalität.« Morfett zupfte an seiner Jacke herum, deren Knöpfe ihm bei jedem Atemzug schmerzhaft in das Fleisch stachen.
Die äußeren Stadttore Etarras führten auf einen steilen Hang hinaus. Die Stadt selbst dehnte sich in der Lücke zwischen den Ausläufern des Mathorngebirges und den keilförmig nach Westen hervorspringenden Erhebungen der Skyshielberge aus. Fünf Straßen führten in die Stadt, doch von Daon Ramon führte der Weg über eine Serpentinenstraße, zusammengewürfelt aus Lehmziegeln und Stützen, die sich schließlich zu einer Trasse verdichteten Grundes ausweitete, die gerade breit genug war, Wagen passieren zu lassen. Auch vor den Wehrtürmen des Tores herrschte ein unbehagliches Gedränge, das in Bewegung geriet, als noch mehr städtische Funktionäre eintrafen. Der Aufruhr, den die Zauberer herbeigeführt hatten, war beeindruckend. Außer den Gildeministern, den Handelsfunktionären und Ratsherren hatten viele ihre überaus neugierigen Gattinnen mitgebracht.
Morfetts Rachen war noch immer wund von dem Geschrei, das notwendig gewesen war, um seine Gemahlin nebst Töchtern sicher daheimzubehalten, als er sagte: »Der Rat der Stadt wird den Regierungsanspruch Eures Thronerben niemals akzeptieren.«
Sethvir antwortete mit einem furchtbar unberechenbaren und nervenraubenden Lächeln. »Laßt ihnen etwas Zeit.«
Jemand hüstelte. Morfett wandte sich um und sah eine perlentragende Dame in einem Gewand, dessen Säume mit Polarluchspelz besetzt waren, die schnell eine Hand vor den Mund hielt. Noch immer bebten ihre Schultern und verrieten so ihr Lachen. Neben ihr, gekleidet in weißes Hermelinfell und dem offiziellen Scharlachrot städtischer Würdenträger, geschmückt mit blendenden Diamanten und Goldketten, stand stocksteif ihr sichtlich erzürnter Bruder Diegan, Kommandant der Garde. O nein, weder Zeit noch Blutvergießen würde die Haltung seiner Stadt besänftigen können, das wußte Morfett. Der Prinz, den offiziell zu begrüßen Etarras Rat herbeigezerrt worden war, würde seinen Versuch, die Monarchie wieder einzuführen, bereuen. Wie ein gemeiner Köter würde er den Schwanz einziehen, wenn sie ihn aus der Stadt jagten.
Der Zauberer in der billigen Robe begann unpassenderweise zu kichern. »Beim Rad des Dharkaron«, sagte er milde. »Ich kann es kaum erwarten zu sehen, was geschieht, wenn Ihr Euren königlichen Herrscher seht.«
»Ein Knabe, kaum ausgewachsen«, höhnte Morfett. »Es wird ihm noch leidtun, wenn er feststellt, daß ihm auch Bestechung keine Souveränität erkaufen kann.«
Sethvir schien vor Verblüffung sprachlos zu sein.
Lordgouverneur Morfett reckte das Kinn vor und ernannte sich, dümmer als er war, selbst zum Sieger.
Die Eskorte des Prinzen mußte wohl die letzte Biegung des Weges passiert
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