Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
Arithon beleidigen willst, wirst du dir etwas anderes ausdenken müssen. Mit einer Wahrheit, die zu hören er überdrüssig ist, wirst du nicht viel erreichen.«
»Halliron?« Solchermaßen von seiner Angst abgelenkt, verdrehte sich Dakar den Hals und fand den Meisterbarden wieder bei Bewußtsein in dem Wagen vor.
Der alte Mann sah krank aus. Sein Gesicht hatte eine ungesunde, graue Farbe angenommen, abgesehen von dem Bereich, auf dem sich ein schwarzer Bluterguß über Wange und Schläfe ausbreitete. Seit dem entsetzlichen Hieb, der ihn niedergestreckt hatte, verlor er immer wieder das Bewußtsein. Die Muskeln in dem betroffenen Bereich waren wie gelähmt; das Auge auf der anderen Seite, mühevoll offengehalten, war trübe und unnatürlich geweitet. Dakar wußte wohl, daß diese Symptome nichts Gutes verhießen, also machte er seinem Kummer Luft, indem er weiter gegen Arithon wetterte. »Ihr seid ein kompletter Narr, ihn zu verteidigen. Um so mehr nach der letzten Nacht. Ihr hättet Euch niemals von ihm zu dieser Reise überreden lassen dürfen.«
Hallirons Lippen verzogen sich zu einem einseitigen Ausdruck der Resignation. »Den Mangel an Bequemlichkeit ziehe ich dem Tod vor, dessen Opfer wir geworden wären, hätten wir versucht, uns in Jaelot zu verbergen, darüber gib dich keinen Illusionen hin. Des Statthalters Neigung, die Helfershelfer von Zauberern auf Scheiterhaufen aus geöltem Reisig zu verbrennen, hat mir noch nie besonders gefallen.« Zitternde Finger zupften an der Decke herum, in der die Motten dieses Frühjahres neue Löcher hinterlassen hatten. Mit gewichtigem Ernst fügte der Meisterbarde dann hinzu: »Ich habe gehört, was Arithon gespielt hat. Alles. Seine Kunst hat selbst die Tiefe der Bewußtlosigkeit durchdrungen. Er hat nun ein Stadium der Erhabenheit erreicht, daß sogar du zu würdigen wissen solltest.«
»Unter Zwang und grauenhaft nüchtern«, entgegnete Dakar. Den Kopf zurückgelegt starrte er himmelwärts, und in seinen Augen vermischte sich Gehässigkeit mit den Reflexionen sonnenbeschienenen Laubes. »Soviel zu meinen Sorgen.« Gewiß hätte er sich gern in weiteren Attributen ergangen, wäre nicht eine weitere Truppe Lanzenreiter vorbeigeritten, gerade als er seine Weisheiten verkünden wollte.
»Wie ich sehe, bist du auch nicht daran interessiert, wieder zurückzugehen«, bemerkte der Meisterbarde trocken.
Dakar verfiel in dumpfes Schweigen, bis das Opfer seiner Boshaftigkeit zurückkehrte, um ihn weiter zu reizen. Zurück von dem Wasserlauf, Ärmel und Hosenbeine hochgekrempelt, hielt Arithon die Tunika, die er gerade erst in den Bach getaucht hatte, in zitternden Händen. Erschöpft lehnte er sich an den Wagen und zwang sich, genug Konzentration aufzubringen, aus dem Kleidungsstück eine Kompresse zu falten.
Als er das kühle, feuchte Tuch schließlich nutzte, die scheußliche Schwellung im Gesicht des Meisterbarden zu lindern, mühte sich der alte Mann vergebens, das qualvolle Schaudern zu unterdrücken, das von seinem Leib Besitz ergriff. »Ärmlich ist der Dank, der dir geboten wird, nachdem du uns aus Jaelot hinausgebracht hast.«
»Wie kommst du darauf?« Selbst so blaß wie Pergament, überdies erschöpft von der Anstrengung und dem Mangel an Schlaf, rang Arithon sich ein Lächeln ab. »Dakar hat sich erstaunlich großzügig gezeigt. Sechsmal hat er angeboten, mich im Stich zu lassen, und ich habe jedesmal akzeptiert.«
»Wartet nur, bis wir in Tharidor sind!« fauchte der Wahnsinnige Prophet, atemlos vor unterdrückter Wut. »Dann, das verspreche ich, werdet Ihr schon sehen, daß ich Wort halte.«
Mit der abscheulichen, falschen Höflichkeit, die sein Alias Medlir ausgezeichnet hatte, hob Arithon den Kopf. »Nun, wenn es so ist, dann könntest du uns bis dahin unterstützen und das Pony tränken.« Ohne jede Vorwarnung schoß des Mannes Hand in typischer s’Ffalenn-Manier vor, ergriff den ledernen Wasserbeutel, der bei ihrer Ausrüstung lag, und schlug ihn Dakar vor den Bauch.
Solchermaßen heftig in die Eingeweide getroffen, rülpste Dakar so herzhaft, daß ihm keine Luft mehr blieb, zu einem Gegenschlag anzusetzen. Während der Wahnsinnige Prophet beleidigt davonstolzierte, ohne auf das Unterholz zu achten, das krachend unter seinen Stiefeln brach, erkundigte sich der Herr der Schatten mit unverminderter Sanftmut: »Wie geht es dir?«
Halliron senkte sein funktionstüchtiges Lid. Seiner Energie beraubt, schien sich seine Haut gleich nassem Papier über Nase
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