Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
einer längst ausgetrockneten Quelle ausgehöhlt worden. Der Berghang und der Wagen außerhalb der Höhle schützten sie weitgehend vor dem Wind. Unter einem natürlichen Abzug in Form einer Felsritze, sorgte Asandir für ein kleines Birkenholzfeuer. Neben ihm ruhte Halliron in Decken gewickelt in der behaglichen Wärme. Während er sich damit beschäftigte, die Ausrüstung vom Wagen zu laden, behielt Dakar unentwegt die mürrische Miene bei, die er bereits seit Jaelot pflegte. Seine Lippen waren fest zusammengepreßt, und seine Mundwinkel waren nach unten gesenkt, so grimmig, als würden sie durch festgespannten Zwirn herabgezogen. Nicht gewillt, diesen Groll unnötig lange zu ertragen, schickte Asandir ihn schließlich barsch hinaus und trug ihm auf, sich um die Pferde zu kümmern.
Ohne weitere Verzögerungen legte der Zauberer seinen Mantel ab und ging neben des Meisterbarden Schulter in die Knie. Während er mit zarten Berührungen das wunde Fleisch und die heiße Schwellung unter den Fransen weißen Haares untersuchte, sagte er zu Arithon: »Vergebt mir, doch Eure Beschwerden müssen noch warten.«
Das Kinn in der hohlen Hand hockte Arithon, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, mit angezogenen Beinen auf der anderen Seite Hallirons. »Denkt Ihr denn, ich würde Euch nicht sogleich selbst zur Hand gehen, wenn ich nur könnte?«
Die offenkundige Scham, die in seinen Worten anklang, ließ Asandir für einen kurzen Moment innehalten, ehe seine Hände ihre Untersuchung fortsetzten, während der Feuerschein Schattenspiele mit den Falten in seinen Zügen spielte. Die Nacht versiegelte die Höhle mit nebliger Finsternis. Motten zogen ungleichmäßige Kreise in der aufsteigenden Luft über dem Feuer. Von den Flammen verbrannt, klammerte sich ein zart malvenfarbiges Insekt an Asandirs Robe. Dort trommelte es mit seinen Beinen im Todeskampf und hinterließ halbmondförmige, staubige Male in dem dunklen Wollgewebe. Draußen trällerte eine Spottdrossel ein spätes Lied, während Dakar das Pony grollend anherrschte, still zu stehen. Das Leder war durch die Nässe aufgequollen, und die Gurte hatten sich in den Schnallen verklemmt. Drinnen hingegen beendete Asandir in aller Stille seine Untersuchung. Er berührte Hallirons verletzte Schläfe, legte die gespreizten Finger der anderen Hand auf seine pflaumenblau verfärbte Stirn. Sein Blick ruhte auch dann noch unverwandt auf dem Kranken, als er sich der Ursache für Arithons Äußerung zuwandte.
»Soweit mir bekannt ist, habt Ihr, als Etarras Heer die Clans im Strakewald angegriffen hat, einen auflösenden Zauber gewirkt, der Eure magischen Fertigkeiten zerrüttet zurückgelassen hat.« Ein Holzscheit fiel herab und setzte höllische Funken frei. Für eine Sekunde umrahmte rote Glut den Zauberer, eine Gestalt, ausgeglichen, erfüllt von kühler Ruhe, die die Macht hatte zu vergeben oder zu verdammen. Dann senkten sich die Schatten wieder über ihn und verwischten den Eindruck. Trügerisch erschien er nun als alter Mann, von den Wendungen des Lebens nicht minder gezeichnet als Halliron. »Nur ein kleiner Zauber gegen den Pfeil aus einer Armbrust, gewiß, doch Ihr habt Eure Kenntnisse über die Große Beschwörung mißbraucht. Die Konsequenzen solchen Handelns wiegen außerordentlich schwer. Würde es Euch etwas ausmachen, mir zu erzählen, was genau geschehen ist?«
Arithon erstickte einen unwillkürlichen Laut in seinen Handflächen, ehe er den Kopf hob und Asandir sein totenbleiches, blutleeres Gesicht zuwandte. »Daelion möge mir vergeben, ich bin dieser Erinnerung so müde. Wieder und wieder erlebe ich diesen Augenblick in meinen Alpträumen, und ich verachte mich für meine Tat. Aber trotz allem kann ich mir nicht vorstellen, was ich hätte anders machen können. Der Knabe, Jieret, hat überlebt. Das ist das einzige, was zu diesem Zeitpunkt von Bedeutung zu sein schien.«
»Schuld«, sagte Asandir leidenschaftslos. »Gewiß, das ist ein Teil davon.« Seine nächsten Worte trafen Arithon mit der Wucht von niederprasselnden Kieselsteinen. »Und, Prinz, seid Ihr schuldig?«
Zusammengekauert, darum bemüht, sein Zittern zu unterdrücken, konterte Arithon voller Verzweiflung: »Das weiß allein Dharkaron, der Engel der Vergeltung.«
»Dann überlaßt es ihm und vergeßt die Sache!« Seine Rüge kontrastierte heftig mit seiner offenkundigen Gemächlichkeit, als Asandir die Hand über Hallirons Brust führte, um dort ein Symbol zu zeichnen, ehe er sich forschend unter
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