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Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Aufmerksamkeit entgangen ist.«
    Sethvir zog die buschigen Brauen in die Höhe.
    Zwar neigte der Geist, der nun über den feuchten Teppich glitt, nicht zu Flüchen, doch sein Benehmen zeigte deutliche Anzeichen eines aufziehenden Sturmes. Die Erklärung für seinen Zustand verpackte er jedoch nicht in Worte, sondern in steinige Erinnerungsfetzen, die er seinem Bruder entgegenschleuderte.
    Für eine Sekunde teilte Sethvir die starke, detaillierte Vision von einer ausgemergelten Alten in violetten Schleiern, die sich über einen Ebenholztisch beugte. Gleich fleischfressenden Geiern unter seidenen Kapuzen, die schimmerten wie schwarze Trauben, folgten andere Frauen ihrer Neugier, als sie sagte: »Ah, aber er verfügt ja über beneidenswerte Gaben.«
    Objekt ihres Gespräches war ein schimmerndes Netz von Linien, eingefangen in ihrem magischen Blick, ein Abdruck des Lebens Arithon s’Ffalenns, wie er in der vergangenen Nacht über dem Kraftkreis der Methinsel offenbart worden war. So begierig, wie sich eine Spinne auf die Lebenssäfte ihres Opfers stürzen mochte, analysierten die Zauberinnen seine Eigenschaften. Sie zergliederten den spiralförmigen Rahmen seiner Macht, der latenten wie der bereits geschulten; untersuchten die Disziplin in den Ketten magischer Gelehrtheit und die wilde, freie Gabe eines Meisters der Schatten, beides verbunden in der lodernden Flamme seines visionären Geistes. Wohlgehütete musikalische Fertigkeiten wurden zerpflückt, bis in ihre ätherischen Schattierungen, Gaben, die sich wie silbergefaßte Bänder durch einen Willen zogen, der sich wie ein leuchtender Draht von dem Fleisch abhob, dem er eingeprägt war. Hier durchbrach die strahlende Symmetrie der s’Ahelas-Weitsicht die hauchdünnen Fasern unsterblichen Erbarmens, die dem Geschlecht derer zu s’Ffalenn zu eigen waren. Dort lasen die Zauberinnen Sorge und Verzweiflung im Angesicht des Schicksals. Dornengleich ragte Erkenntnis aus Arithons Selbstwahrnehmung hervor, die Erkenntnis, daß er, aller Hoffnung und Mühe zum Trotz, am Ende doch versagen mußte.
    Sethvir schüttelte das bedrückende Bild mit der Geduld eines Geistes von sich, der es seit langer Zeit gewohnt war, Leid zu ertragen. »Die Korianioberin und ihre Erste Zauberin haben schon bei ihrem Spionageakt vor sechs Jahren beinahe ebensoviel erfahren. Nun kennen sie zwar auch die Einzelheiten von Arithons persönlichem Muster, doch das wird Morriel auch nichts nützen.«
    Luhaine rümpfte die Nase, während er seinen körperlosen und doch massigen Leib ohne einen Fehltritt zwischen einem Beistelltisch voller leerer Teedosen und einem Kleiderständer, auf dem allerlei abgenutztes Zaumzeug ruhte, hindurchschob. »Nun, zumindest hat sie bestimmt noch nicht gewußt, daß Arithon und Lysaer aus der Fontäne der Fünf Jahrhunderte getrunken haben.«
    Sethvir schwieg. Seine Augen nahmen einen verträumten Ausdruck an, als er die Macht herbeirief, um sich einen Überblick über die Bestürzung zu verschaffen, die dieser Entdeckung gefolgt sein mußte. Als er der geschäftigen Aufregung des Ältestenkreises gewahr wurde, die dem Treiben in einem Ameisenhügel nicht nachstand, lachte er laut. »Diese Neuigkeit wird sie jedenfalls für eine Weile beschäftigt halten. Wozu sollen wir uns Sorgen machen? Das einzige, was ich von der der ganzen Hysterie erwarte, ist, daß eine ganz besonders verdienstvolle, junge Novizin eine Ausbildung erhalten wird, die ihr anderenfalls verboten wäre.«
    Luhaines trübsinnige Stimmung wollte nicht weichen.
    Der Hüter des Althainturmes seufzte. Wie ein Mann, der eingesteht, einen Punkt übersehen zu haben, hockte er sich auf eine Pritsche, auf der er noch nie geschlafen hatte, faltete die sehnigen Hände über den Knien und gab sich ganz einer Beschwörung hin, die die Feuchtigkeit aus seinem Teppich bannen würde. Als sein Zauber vollständig war und der Modergeruch gemeinsam mit den Pfützen schwand, blickte er mit einem nervösen Winken zu dem Wirbel hinüber, den sein körperloser Gast verursachte. »Luhaine?«
    Die stämmige Erscheinung wandte sich in einem schwunghaften Strudel von schlichtem Grau um. »Du kannst nicht behaupten, daß ich nicht mehr als genug vom großen Rat der Korianizauberinnen gesehen hätte. Sie sind vollkommen auf die ironische Natur Arithons fixiert und sehen nichts unterhalb des oberflächlichen Paradoxons, und das, so haben sie entschieden, beinhaltet ein explosives Potential der Instabilität. Wenn sie erst einmal

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