Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
Korianischwestern getrieben hatte, verfügte sie noch immer über die Verstohlenheit, die sie aus ihrer frühen Kindheit gewohnt war. Doch gleich, wie unauffällig sie sich auch bewegen mochte, lenkte die silberblonde Pracht des Knabenschopfes und die amethystfarbene Tunika des persönlichen Pagen Morriels doch die Blicke aller Küchenjungen und aller Schwestern auf sich, die sich in den Kellergewölben aufhielten.
Schwestern, die keinen Ruf ihrer Obersten befolgten und sich dessen glücklich schätzen durften.
Gleichgültig ignorierte Elaira das spekulative Geflüster, das jedem ihrer Schritte folgte. So oder so ausgestoßen wegen einer weltlichen Verwickelung und nicht imstande, irgend etwas daran zu ändern, empfand Elaira ein perverses Vergnügen, während sie zusah, wie der Pagenjunge der Obersten seine formelle Kleidung beschmutzte. Jenseits der im Dampf erstickenden Wäscherei, in der junge Novizinnen mit leuchtendroten Wangen über ihre Waschtröge hinweg den neuesten Klatsch austauschten, wurden Elaira und ihr Begleiter inmitten einer Gruppe lärmender Knaben entdeckt, die Holz für die Küche herbeischleppten. Wohlwissend, daß sich der Ältestenrat der Obersten ihre Schwächen nur allzu gern zunutze machen würde, wagte sie es doch, die verärgerte Seniorin zu ignorieren, die im Zuge ihrer Bestandsaufnahme drohend mit ihrer Schiefertafel winkte und die Stirn in Falten legte.
In einem atemlosen Versuch der Rechtfertigung ergriff Elaira die Hand des Kindes und zerrte es in einen Vorratsraum. Eine verborgene Tür auf der Rückseite des Raumes führte, zum Entzücken des Knaben, direkt in die Weinkeller der Herberge.
»Diesen Schleichweg kanntest du noch nicht, richtig?« Elaira strich sich grinsend die Spinnweben aus dem Haar und verdeckte mit der Handfläche den Kristall, der an einer Kette um ihren Hals hing. »Es wird dir gefallen. Die Bodenbretter sind voller Küchenschaben.« Als die Macht, die sie unter ihrer Hand konzentriert hatte, einen hellen Schein durch ihre Finger sandte, sagte sie: »Geh voran, und fang ein paar Schaben, wenn du willst. Aber laß dich nicht von mir dabei erwischen, den Tieren Beine oder Flügel auszureißen. Wenn du magst, kannst du der Aufsicht in deinem Schlafsaal gern einen Schrecken einjagen, aber wenn die Insekten deinetwegen Schaden leiden sollten, dann hexe ich dir Brandblasen an den Hintern.«
Mit einem erstickten Freudenschrei fiel der Knabe sogleich auf die Knie und beschmutzte ausgiebig seine Hosen, während er sich unter einer alten Weinpresse auf die Jagd machte. Still und traurig beobachtete Elaira, wie er eine kleine Teufelei vorbereitete. Die Knaben, die Morriel sich zu Pagen erwählte, führten ein Leben als Geächtete, waren weiter nichts als die Werkzeuge der höheren Ziele im Dienste des Korianizirkels. Im Gegensatz zu ihr jedoch, die sie für das ganze Leben an den Orden gebunden blieb, errangen diese Knaben mit dem Beginn der Pubertät die Freiheit.
Hilfsbereit reichte sie dem Knaben ein Taschentuch, in dem er die lebendige Schmuggelware sicher verwahren konnte. Dann dämpfte sie ihre Magie und eilte die hölzerne Treppe hinauf, über die morsche Taue herabhingen, die einst dazu gedient hatten, volle Fässer in die Tiefe abzusenken, bevor die Korianizauberinnen den Weinberg umgepflügt und Kräuter angepflanzt hatten.
Oben öffnete Elaira die Tür des Treppenaufgangs. Jemand hatte die Angeln mit Schweineschmalz geschmiert, vermutlich ein Küchenjunge, der sich zu einer heimlichen Verabredung mit einer fremden Magd hatte hinausschleichen wollen. Die Zauberin schloß die Augen, als eine unerwünschte Assoziation ihr Bewußtsein zu überwältigen drohte: die Erinnerung an lange, musikalisch Finger, die trockene Grashalme aus ihrem Haar entfernten. Ob die Sanftheit, an die sie sich so deutlich erinnerte, unwillkürlich der s’ffalennschen Gabe der Barmherzigkeit entsprungen war, oder ob etwas anderes dahintersteckte, etwas, das tief im Herzen wurzelte, würde sie möglicherweise niemals erfahren. Die starren Verhaltensrichtlinien ihres Ordens gestatteten ihr keine amourösen Abenteuer. Als sich der Page seiner vergessenen Pflichten erinnerte, schüttelte Elaira die verbotenen Gedanken ab, und der Knabe führte sie durch einen Korridor in ein von Pfeilern gesäumtes Vorzimmer, das die Ordensbrüder früher einmal für ihre frommen Gebete genutzt hatten.
Bevor die Fenster verglast worden waren, war der Raum eine Gartenterrasse gewesen, die sich den
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