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Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Narbengewebe wieder neu zu formen, erforderte mehr als nur ein einfaches, blutstillendes Heilmittel in Verbindung mit wachstumsfördernder Magie. Die Erneuerung eines deformierten Gliedes bedurfte eines Sterbensbannes, vermengt mit Runen der Wiedergeburt, eine widerspenstige, komplizierte Beschwörung, die selbst der begabteste Heiler nur schwer ausbalancieren konnte – und die Elaira gewiß nicht wagen würde, solange ihr Geist von störenden Einflüssen heimgesucht wurde.
    Sie biß sich auf die Lippe, so sehr quälte sie der Drang, eine Glasflasche durch den Raum zu schleudern, nur um sie zersplittern zu hören. Die Alternative war ein innerer Bruch. Sie mußte sich lediglich umdrehen und schauen, wer ihre Tür geöffnet und die furchtsamen Vögel verscheucht hatte. Erfüllt von grimmigem Trotz, preßte Elaira die Lippen aufeinander, während die filigranen Energien, die sie im Verlauf eines langen Morgens gesponnen hatte, zerfaserten und schließlich ganz verloschen.
    Sie konnte sich in den muffigen Schriften über langweilige Kräuter vergraben und Heilmittel zusammenbrauen, bis sie alt war, und es würde ihr Elend nicht ein bißchen mildern. Ihre geheimnisvolle Bindung an das Wasser ließ die Flut der See in ihrem Blut rauschen. Die Tagundnachtgleiche war ebenso in ihrem Bewußtsein verankert, wie die Beobachtungen, die einundzwanzig Zauberinnen in der vergangenen Nacht auf den Wogen der Wege der Erdenkräfte angestellt hatten, beständig auf der Jagd nach einem Mann.
    Im stillen betete Elaira zu Ath, hoffte, daß der Ältestenrat von Koriathain Arithon s’Ffalenn nicht gefunden hatte.
    Ihre flehentliche Bitte an das Schicksal blieb unbeantwortet.
    »Die Oberste Zauberin wünscht Eure sofortige Anwesenheit«, erklärte der Eindringling mit klarer Kinderstimme.
    Gewiß würde ein solcher Ruf sie nicht erreichen, wäre Arithon nicht in Gefahr. Elaira bewegte sich wieder, erhob sich und nickte dem blonden Pagenjungen zu, der in seiner violetten Livree aus Pikeegewebe jünger als seine acht Lenze wirkte. »Führe mich zu der Matriarchin.« Wie durch ein Wunder klang ihre Stimme ruhig.
    Seit jener unglückseligen Schlacht im Strakewald hatte sie die Jahre, so gut es ihr möglich war, erduldet, unentwegt von der Gewißheit gepeinigt, daß Arithons Anonymität nicht vorhalten konnte, hatte doch der Rat der Korianizauberinnen seine ungestümen Gaben zu einer latenten Gefahr für die Gesellschaft erklärt, und ihr Wissen bildete für die Ältesten einen Königsweg, um diesen Mann zu verstehen.
    Elaira folgte dem Pagen auf den Korridor hinaus. Selbst uneins mit ihren Ältesten, bedauerte sie das erwachsene Verhalten, dessen der Knabe sich befleißigte. Impulsiv schlug sie vor: »Laß uns die Abkürzung durch die Versorgungsgewölbe nehmen.«
    »Wirklich?« Das Kind grinste sie an und offenbarte die Lücke fehlender Schneidezähne, ehe es vorausrannte und durch eine schäbige, runde Seitentür verschwand.
    Die Bruderschaft des Ath hatte ihre ehemalige Herberge den Korianischwestern überlassen. Das Gemäuer war ein weitläufiger Bau, der sich in die Sandsteinhänge im Süden von Forthmark bohrte. In dem verfallenen Labyrinth der Lagerräume, das einst wie für die Ewigkeit erbaut worden war, herrschte ein feuchtkaltes Klima, genährt von dem feuchten, porösen Felsgestein, das beständig dem Dunst unterirdischer, heißer Quellen ausgesetzt war. In den geräumigen, äußeren Zimmern, die den Kranken vorbehalten waren, war die Luft, dank der südwärts gerichteten Fenster, durch die stets ausreichend Sonne hereinschien, weit weniger bedrückend. Dort verdingten sich die Mündelknaben. Um sich die Kosten für ihren Unterhalt zu verdienen, reinigten sie die Räume von dem überall vorhandenen Moder.
    Elairas Stimmung jedoch waren die Hintertreppen und die weitläufigen, niedrigen Gänge, die sich durch Wurzelkeller und Lagerräume wanden, weit mehr angemessen. Spinnenweben wogten im Wind und glänzten gleich schimmernder Seide im Licht der weit auseinanderliegenden Fackeln an den Wänden, die von altem Ruß geschwärzt waren. Der Geruch von verbranntem Talg und korrodiertem Metall lag schwer in der Luft.
    Elaira beeilte sich. Trotz der harten Sohlen ihrer Stiefel und des steinernen Bodens, der dazu angetan war, laut hallende Echos zu erzeugen, waren ihre Schritte nicht zu hören. Als Kind einer Straßenhure, verwaist und von Bettlern aufgezogen, bis eine unglückliche Begegnung mit dem Gesetz sie in die Obhut der

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