Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
Anlaß zur Schmähung seiner Person liefern sollte, so sehr sie nach einem Beweis für schaurige Zauberformeln und schwarze Magie forschte, machte doch die Ordnung in der Kajüte all ihre Mühe zunichte. Die kleine Kabine barg so wenig frivolen Schmucks wie der Mann selbst. Die Auswahl der Möbel war nach dem Kriterium der Funktionalität getroffen worden und wirkte wie das Spiegelbild der Erwartungen, die dieser Kommandant an seine Mannschaft stellte. Weder in den aufgerollten Karten noch in den gefalteten Decken oder den in sauberer Schrift vorgenommenen Eintragungen des Logbuches auf einem Brett neben dem Schrank, das als Schreibtisch diente, fand sich eine Spur der Nachlässigkeit.
In ungebändigtem Zorn knallte Talith das Buch mit den Schiffsaufzeichnungen zu. Ein silbriges Glitzern erregte ihre Aufmerksamkeit: in einer Vitrine glänzten die aufgespannten Seiten der Lyranthe des Meisterbarden.
Dieses eine stille Zeugnis der Kunst und Muse, die sich hinter diesem Piraten verbarg, steigerte die Pein angesichts ihrer mißlichen Lage bis zur Unerträglichkeit.
»Dein verwünschtes schwarzes Herz soll zu Sithaer verdammt sein!« fluchte sie wider ihren abwesenden Entführer, dessen Spitzfindigkeiten stets schmerzhaft trafen. Talith wußte, daß er jeden Vorteil gegenüber Lysaer zu nutzen verstünde, den er ihrer Notlage abgewinnen konnte. Liebe und Schmerz zerstörten auch den letzten Schein ihrer stolzen Haltung. Die Prinzessin barg ihr Gesicht in Händen, und jene ungewollten Tränen, die sie selbst im Augenblick der größten Bedrohung hatte zurückhalten können, rollten nun ungehindert über ihre stolzen Wangen.
Als sie blinzelnd aufblickte, erkannte sie ihre Zofe, die eben in die Kajüte getreten war und nun in hilflosem Elend vor sich hin starrte. Schutzlos den tadelnden Kommentaren des Herrn der Schatten ausgeliefert, überdies voller Furcht wegen der Härte, der ihre junge Ehe nun ausgesetzt war, nagte diese letzte, schändliche Störung nun an ihren Nerven.
»Verschwinde!« schrie sie in einem Ausbruch ungezügelter Wut.
Mit einem Aufschrei zuckte die Magd zusammen, zögerte dann jedoch, nicht wissend, wohin sie gehen sollte.
»Nimm dein dummes Gesicht, und geh mir aus den Augen!« brüllte Talith. »Ich will dich nicht wie einen hungerleidenden, stumpfsinnigen Schoßhund mit herumschleppen, also laß mich allein. Auf der Stelle!«
Die Zofe fiel auf die Knie und gab tiefe, verletzte Schluchzer von sich.
In diesem Augenblick empfand die gnädige Frau Talith, Prinzessin von Avenor, den verräterischen und doch innigen Wunsch, ihre eigene Dienerin würde ihren Anordnungen mit der gleichen ehrfurchtgebietenden Disziplin Folge leisten, deren Zeuge sie auf Arithons Achterdeck geworden war.
Ein Bote
An jenem sonderbaren Nachmittag, da eine Laune den körperlosen Zauberer Kharadmon überkam, gefiel es ihm, Sethvir in seiner Isolation im Althainturm zu stören. Nur befand sich der Hüter des Turmes an diesem Tage außerhalb der Bibliothek. Die magischen Banne, die den Eingang zum Turm schützten, mußten nur selten gerichtet oder erneuert werden, und doch hatte Sethvir es sich zur Gewohnheit gemacht, die geheimnisvollen Schutzvorrichtungen stets auf ihre Funktionstüchtigkeit hin zu überprüfen, wann immer ihn eine längere Reise von seinem Turm fortführte.
Nie zuvor hatte ihn irgend jemand auf den Knien überrascht, zusammengekauert unter dem zugigen steinernen Rundbogen des Tores, wo er die Arme um die Rippen geschlungen hatte, soweit er ihrer unter den voluminösen Falten seiner Robe habhaft werden konnte. Das angefangene Siegel blieb unfertig in der Luft zurück, verflog alsbald mit einem kurzen Flackern. Der Zauberer aber hielt die Augen geschlossen, als hätte er einen Anfall erlitten, wenngleich er tatsächlich in krampfhaftes Gelächter ausgebrochen war.
Für einen anderen Zauberer der Bruderschaft war leicht zu ermessen, was zu dieser Entgleisung geführt haben mochte.
»Nun, was hast du auch nach dem Geschehen zu Athir erwartet?« fragte Kharadmon, ein sardonischer Hauch kalter Luft, vergnügt. Er wehte über die Treppe aus der Etage herab, welche die paravianischen Statuen beherbergte, ehe er in verschrobener Stille verharrte. Seine Nähe hinterließ frostige Kälte auf seinem Weg, die sich durch die Schießscharten drängte, welche von dem gänzlich widersinnigen Geruch des jungen Grases einer Frühlingswiese erfüllt waren. »Er müsse der Not gehorchen, hat Asandir ihm gesagt,
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