Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
verschmolz Luhaine die Essenz seines Geistes mit größter Sorgfalt mit den Siegeln auf der Oberfläche des Tisches. Ein Augenblick zog dahin, als er den Stein selbst um seine Zustimmung bat. Dann plötzlich stoben Funken rund um den dreibeinigen Ständer der Kohlenpfanne auf. Durch einen Energiestrom, entliehen aus dem Dritten Weg, schmolz der körperlose Zauberer einen Teil des dunklen Felsens und formte ein Gefäß aus der goldfarbenen Magma.
Seine Arbeit erhitzte die Luft und erzeugte einen heißen, trockenen Luftzug. Lose Pergamentbögen flogen raschelnd zu Boden und verfingen sich in den Stuhlbeinen oder blieben an den geschnitzten Khadrimstatuen hängen, aus denen der schwere Fuß des Tisches gebildet war. Die Geister wogten durch den Raum und hielten erneut auf den Hüter des Althainturmes zu. Ihre verächtliche, beißende Niedertracht erzeugte eine Dissonanz in der magisch geschulten Wahrnehmung. Lange Jahre des Kampfes gegen Kharadmon hatten diese Feinde vieles gelehrt. Sie kannten die Einschränkungen, denen ihre Opfer unterlagen: Mochten sie auch provoziert werden, mochte auch ihre eigene Existenz verzerrt werden, kein Bruderschaftszauberer würde es je wagen, das Vertrauen Aths zu mißbrauchen, um einen Zauber zu wirken, der ihre Entstehung ungeschehen machen würde.
Die Zauberer, die über Athera wachten, waren Hüter. Ihre machtvollen Beschränkungen konnten nur allzu leicht zu einer Waffe gegen sie gestaltet werden, die ihre ruhige Selbstbeherrschung aufbrechen und ihre moralische Kraft umfassender Schwäche opfern würde.
Niemand sollte je erfahren, ob die Mächte, die Sethvir mit der bloßen Kraft seiner Gedanken hätte herbeirufen können, um jegliche Gefahr für seine eigene Freiheit im Keim zu ersticken, ihn in Versuchung führten, als die Geister sich ihm erneut näherten. Mit hellen, zusammengekniffenen Augen folgte er jeder ihrer Bewegungen. Seine hageren Schultern krümmten sich, als würde die Last seiner Robe ihn herabziehen. Kontrastreich hoben sich die Tintenflecken vor der Haut über seinen Knöcheln ab, die so blaß und knorrig wie sonnengebleichtes Strandgut war. Mit einer Bewegung, kaum mehr als das extravagante Zucken unwillkürlicher Nervenreaktionen, tauschte er die Kreide gegen zwei staubige Flußkieselsteine, die er hastig dem Durcheinander auf dem Fenstersims entnahm.
»Versuch nicht, sie in einem Energiefeld festzuhalten.« Ausgezehrt von den Mühen seiner eigenen Selbstverteidigung, erklang Kharadmons Stimme wie ein dünnes Echo ihres gewohnten Timbres. »Sie ernähren sich von derartigen Energien.«
»Ich weiß«, sagte Sethvir. Seine freie Hand griff nach der Tischkante. Substanzloser noch als verwehende Rauchschwaden verteilten sich die Geister über ihm. Im Angesicht dieser wohlausgewogenen Bedrohung, schien der Zauberer kaum mehr als ein ergrauter Großvater, den die Senilität dazu trieb, mit Steinen zu werfen, um eine heraufziehende Sturmflut abzuwehren.
»Es gibt eine andere Möglichkeit, sie in die Falle zu locken«, erklärte Sethvir. »Mehr als alles andere verlangt es sie nach der Kontrolle über meine Gaben.«
Angsterfüllt entgegnete Luhaine: »Laß ab. Du darfst nicht riskieren, dich selbst als Köder darzubringen.«
Doch der Hüter des Althainturmes hatte bereits eine paravianische Weise angestimmt. Angenehme Wärme strahlte von den Kieselsteinen in seiner Handfläche aus, gefolgt von einem bestärkenden Läuten. Sogleich einte seine Magie die beiden Steine in gleicher Resonanz.
In dem Augenblick, als die Geister über ihn hereinbrachen, warf Sethvir den ersten Stein in das Obsidiangefäß, das Luhaine aus der Tischplatte geformt hatte, während er den zweiten zu Boden fallen ließ. Keine erkennbare Kraft begleitete seinen Wurf, und doch zerbrach der Stein auf dem Boden in tausend winzige Fragmente. Diese wiederum verteilten sich im Raum, als wären sie lebendig und von einem willentlichen Drang beseelt, in jedem nur denkbaren Winkel der Bibliothek Zuflucht zu suchen.
Im gleichen Moment gaben Sethvirs Knie nach. Er prallte gegen den Tisch und brach bewußtlos zusammen. Die Wangen hinter seinen Barthaaren waren eingefallen, und sein wirres Haar fiel ihm in Strähnen über das Gesicht.
»Ath, dieser unglaubliche Narr!« schrie Luhaine schockiert auf und wirbelte wie eine steife Brise durch den Raum. »Er hat sein Bewußtsein gespalten und mit den Gesteinssplittern verschmolzen.«
Aber seine Taktik zeigte die gewünschte Wirkung. Schon teilten sich die
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