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Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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schimmerten. Als Desh-Thiere auch das letzte Sonnenlicht durch seine Nebel verhüllt hatte, hatte der letzte Wächter der alten Rasse die Macht über das Netz an Sethvir übergeben, bevor er selbst gezwungen war, den Kontinent zu verlassen.
    Sich der Tatsache nur allzu deutlich bewußt, daß sie im Begriff war, eine unerlaubte Handlung zu begehen, ja, gar die schützenden Lagergewölbe des Turmes zu berauben, war Lirenda klug genug, sich nichts vorzumachen. Der Zauberer, in dessen Festung sie einzubrechen beabsichtigte, wußte gewiß von ihrer Anwesenheit.
    Es war unmöglich, die Schritte der 108 Schwestern auf dem kalten Boden zu verschleiern, die wie eine Hundemeute ihrer Befehle harrten. All die Kieselsteine unter ihren Füßen, die aufgeschreckten Feldmäuse, die zertretenen Grashalme am Wegesrand: Sethvir konnte ihre Stimmen hören, wann immer es ihm gefiel. Ihnen blieb nur, herauszufinden, ob seine Schutzbanne stark genug waren, einem großen Kreis der Zauberinnen standzuhalten, die sich eingefunden hatten, ihre Macht und ihren Willen in der Matrix des Skyronkristalls zu vereinen.
    Lirenda wandte der Festung den Rücken zu. Feucht vom Tau klebte der Saum ihres Gewandes an ihren Fußgelenken. Hinter ihr warteten ihre auserwählten Schwestern, deren Gesichter nur als fahle Ovale unter den dunklen Kapuzen ihrer Roben zu erkennen waren.
    Auf ihr Signal hin löste sich die Versammlung auf.
    Die Schritte ihrer bloßen Füße und die Säume ihrer Gewänder, die über den Boden strichen, wischten den Tau von den Grashalmen und zerdrückten die Pflänzchen auf der kargen Erde. Ohne ein einziges Wort zu sprechen, faßten sich die Korianischwestern an den Händen, und nicht wenige Handflächen waren schweißfeucht wegen des tief empfundenen Unbehagens angesichts ihrer Aufgabe. Sethvir in seinem Zentrum der Macht herauszufordern, hieß, sich unaussprechlicher Gefahr auszusetzen. Dennoch nahmen die Frauen unerschrocken ihre Plätze ein. Sie waren geschickt worden, den Großen Wegestein des Ordens aus den Händen der Bruderschaft zurückzufordern, und zu diesem Zweck war eine jede von ihnen bereit, ihr Leben zu opfern.
    Kaum hatten die Zauberinnen eine durchgehende Kette gebildet, schlossen sie sich auch schon zu einem Kreis um die Fundamente des Turmes zusammen. Im Inneren dieses Kreises, ganz ein Bild eiserner Entschlossenheit, ließ sich Lirenda vor dem verschlossenen Portal auf die Knie sinken. Sodann öffnete sie die versiegelte Kassette, die sie bei sich trug. Sie enthüllte den in Seide gebetteten Kristall von Skyron und hielt den facettenreichen Stein vor sich in die Höhe. Der fahle, gelbweiße Schein des Frühlingsmondes fiel auf das Juwel und löste glitzernde Reflexionen aus seinem Inneren.
    Das offene, dunkle Haar der Ersten Zauberin löste sich aus der Kapuze und fiel in sanften Wellen über ihre Arme. Warm strich es über die elfenbeinfarbenen Handgelenke, während ihre Hände, die sich um den Kristall schlossen, in flüchtige Kälte eintauchten. Die bedrohliche Präsenz, die dem Stein in stiller Reglosigkeit innewohnte, stand dem lebendigen Fleisch so feindselig entgegen wie Atemluft aus einer eisigen Gletscherspalte.
    Lirenda schloß die Augen, atmete die Aromen des beginnenden Frühlings mit all seinen widerstreitenden Daseinsformen: die Geburt grüner Sprosse im Moder der toten Pflanzen des vergangenen Jahres, die in der langsam wärmer werdenden Witterung vor sich hin rotteten. Und während sie sich im Geiste auf den Beginn ihrer Aufgabe vorbereitete, hinterließen die Finger der Ersten Zauberin feuchte Abdrücke auf der Oberfläche des Juwels.
    Je älter ein Talisman war, desto mehr Magie war durch seine Struktur hindurchgeflossen. Der Skyronkristall diente den Ritualen des Korianiordens schon seit so langer Zeit, daß niemand sich noch seiner Herkunft erinnern konnte. Wie in ewigem Strom von Wasser geglätteter Quarz präsentierte sich das Muster seiner Matrix, ein Diamant in tiefer Finsternis, durchzogen von den verdrehten, oft bösartigen Rückständen vieler Jahre der Zauberei. Je stabiler, je verläßlicher die Ältesten dieser Juwelen wurden, nach vielen Jahren, in denen ihre magische Energie in ungezählten Prüfungen erprobt und gestärkt worden war, desto mehr verlieh ihnen die vergangene Zeit einen unerbittlichen, wenig friedfertigen Charakter. Der lange Gebrauch zähmte sie nicht etwa, er machte sie unberechenbar und gefährlich.
    Lirenda umfaßte den Skyronstein mit größter Wachsamkeit,

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