Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
eines heißen, ungestümen sexuellen Rausches entgegen, öffneten sich ihre Lippen.
Die Wonne war so berauschend wie eine Droge. Lirenda weidete sich an dem ausströmenden, wundervollen Rausch der Stärke, die allein ihrem Gutdünken unterworfen war. Jahrzehntelang hatte sie daran gearbeitet, für dieses Amt bereit zu sein. Ihre Disziplin, ihre Wahrnehmung, mit der sie den umgebenden Elementen ihre Geheimnisse zu entlocken imstande war, mit der sie gar diese Elemente ihren eigenen Launen unterwerfen konnte, erfüllte sie mit größtem Stolz. Im Mittelpunkt der Verknüpfung des Skyronkristalls gehörte ihr nun die Macht und die Zuversicht von einhundertundacht Schwestern; sie war der Schlüssel zu allen Schlössern der ganzen Welt, und der Althainturm lag direkt vor ihr.
Auf dem ganzen Kontinent gab es keinen älteren, dauerhaft bewohnten Ort. Jahrhundert auf Jahrhundert hatten die Riten der Paravianer und der Bruderschaftszauberer die natürlichen Energien geleitet und kanalisiert. Hier verliefen die irdenen Ströme besonders nahe an der Oberfläche des Landes. Für Lirendas trancegebundene Wahrnehmung überzogen Quecksilberbande reiner Energie, die alle dem Gleichgewicht zur Tagundnachtgleiche entgegenstrebten, die kahlen Hügel. In dem Augenblick, in dem sich die Ausrichtung des Verhältnisses zwischen dem Licht des Tages und der Dunkelheit der Nacht umkehren mußte, konnte ihre Macht genutzt werden, jeden Zauber zu erhöhen. Diese Triebkraft, entliehen den natürlichen Quellen, mußte ihr helfen, die Schutzbanne Sethvirs zu durchdringen.
Zusammengekauert inmitten eines Feldes verwitterter Steine im Mondlicht, erhob Lirenda den Fokusstein von Skyron. Ihr Schatten legte sich über das energiedurchzogene Gras. Der Granitschaft des Turmes ragte unheilvoll und schwarz empor, als wäre er aus dem Himmel selbst geschlagen worden. Unruhiger Nordwind fegte über die Einöde, pfiff über die flechtenverkrusteten Mauern, während die Schießscharten der Kammern des Turmes finster und schmal wie Messerstiche auf sie herabstarrten.
Um den Großen Wegestein aus Sethvirs Gewahrsam zu entreißen, mußte Lirenda erst die Banne bloßlegen, die zu lösen ihr Kreis der Zauberinnen zusammengekommen war.
Doch wo die Magie der Korianischwestern von ebenmäßiger, bestimmbarer Struktur war, jedes Siegel im Einklang mit den natürlichen Beschränkungen und überdies geprägt durch die Runen der Unterordnung, barg der Zauber der Bruderschaft eine scheinbar wahllose Kunstfertigkeit, die sich jeglichem Versuch der Entzifferung entzog. Die Banne der Zauberer wirkten so manches Mal beneidenswert naht- und makellos, waren stets als ein Ganzes aus einer Energiequelle gewirkt. Allzu oft riefen Namen ihre Werke in ein Dasein von solcher Komplexität wie die tausendfach verzweigten Verästelungen in einem Blatt, das nirgends unter Aths großer Sonne ein Ebenbild besaß.
Paravianische Magie war jedoch noch wilder, war älter, ursprünglicher, lebendig und flüssig wie frei dahinströmendes Wasser und vielschichtig wie die Jahresringe einer unendlich alten Eiche. Nur wenige Muster ihres Wirkens hatten den Lauf der Jahre und den Verfall, herbeigeführt durch die Nebel Desh-Thieres, die die Sonne abschirmten, unbeschadet überstanden.
Die Vermutung lag nahe, daß die Verteidigungsmechanismen des Althainturmes dem gleichen Muster folgen würden, wie die anderer Schauplätze, die von beiden magischen Strömungen beherrscht wurden. Wie in der Ruine eines Kraftkreises aus dem Zweiten Zeitalter oder den kreuzweise angeordneten Schutzbannen in den alten, moosbewachsenen Megalithen, erwartete Lirenda auch hier unzählige Lagen miteinander verwobener Zauber, die im Laufe vieler Jahre zu einem wirren Gebilde geknüpft worden waren.
Keineswegs frei von Unbehagen, wohlwissend, daß die Arbeit, die sie nun zu tun hatte, sie an die Grenzen ihrer Fähigkeiten und Erfahrungen führen mußte, zwang Lirenda entschlossen ihre Nerven zur Ruhe. Schließlich hob sie den Kopf und aktivierte den Skyronkristall. Für einen Augenblick schien ihre Gestalt zu leuchten, als würde sie von einer unheimlichen Flamme aufgeladen. Dann beugte sie sich dem drückenden Gewicht ihrer Herrschaft über die Mächte unter ihrer Obhut.
Das stete Spiel der energetischen Strömungen entfaltete sich knisternd. Macht trat aus wie ein dünner scharlachroter Strahl, der sich zu einer Feder formte, die es ihr erlauben sollte, ihre Herausforderung an diese Magie über das Portal des Turmes
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