Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
eingehüllt in die milde Kälte seiner Aura widerspenstiger Bösartigkeit. Diesen Stein, den eine Novizin nie hätte bändigen können, behandelte selbst Morriel, die Oberste, mit großer Vorsicht.
Keine lebende Seniorin des Ordens hatte je den Amethyst, den Großen Wegestein berührt. Seit seinem Verlust waren drei Jahrhunderte ins Land gezogen, bevor sie auch nur geboren wurde, und Lirenda konnte sich allenfalls vage vorstellen, wie schwer es sein würde, seine Matrix unter Kontrolle zu halten. Unter ihrer beherrschten Oberfläche empfand sie erwartungsvolle Erregung, hoffte sie doch, daß die Arbeit dieser Nacht ihr die begehrte Chance einräumen würde, zu erfahren, was sie bisher nur ahnen konnte. Nur die Oberste selbst konnte sich noch daran erinnern, wie mit diesem stärksten unter all den Korianikraftsteinen umzugehen war. Nun, da ihre Eignung als Nachfolgerin der Matriarchin von der Rückeroberung des Wegesteines abhing, wagte Lirenda es nicht, ein mögliches Versagen zu überdenken.
Erfüllt von überragender Selbstbeherrschung versetzte sie sich in eine leichte Trance und sandte ihren Geist aus, das Innere des Skyronkristalls zu berühren.
Seine eisige Präsenz schmerzte sie wie ein Regen stählerner Nadeln, der zu schnell vorüber war, als daß ihre Reflexe hätten auf die Erkenntnis der Pein oder auch auf ihr Hochgefühl reagieren können. Für einen winzigen Augenblick erschauerte der geschändete Leib der Frau abwehrend. Dann setzte die Disziplin jeglicher unwillkürlichen Reaktion ein Ende. Lirenda unterdrückte den tief in ihr schlummernden Instinkt, sich zurückzuziehen, und umfaßte im Geiste das steinerne Herz des Juwels, um seine gefährlichen Energien zu zwingen, sich ihrem Willen unterzuordnen.
Geheimnisvolle Mächte wanden sich in wildem Protest.
Angegriffen von einem Blitzgewitter eisiger Winde und glühenden Metalls, kehrte sie den wehrhaften Vorstoß um und forderte ihren Platz rechtmäßiger Herrschaft ein.
Dieser Augenblick, in dem sich diese rohen Kräfte ihrem Geist unterordneten, überflutete ihr Bewußtsein wieder und wieder mit ekstatischer Freude. Die zerbrechliche Schwäche der Sterblichkeit schien in dem Quarzgestein umgeformt zu werden. Ihr Geist wurde zu einem Fenster, geflutet von weißem Mondenschein, wurde zu alter, wertvoller Spitze, unbefleckt vom Staub der Zeit. Ausbalanciert wie der Schaft eines Speeres öffnete sich die Matrix des Skyronsteines ihrem Willen. Mit ihren durch Willenskraft und Übung erweiterten Sinnen überprüfte sie die beherrschte Kraft jeder einzelnen Schwester in ihrem Kreis, die durch den kleinen Kristall an ihrem Hals wie in einem festen Gewebe mit ihr verbunden war.
Nach und nach ergriff Lirenda die gefügigen Fäden ihrer bewußten Seelen, verknüpfte sie im Inneren des Aquamarins mit dem Band der Siegel, die ihrer Macht als Erster Zauberin unterstanden und außer ihr allein der Obersten bekannt waren, die um alle Geheimnisse dieser Magie wußte. In dieser Nacht blieb Lirenda keine Zeit, Neid zu empfinden wegen der Geheimnisse, die die Matriarchin ihr bis zu ihrer letzten Reise vorenthalten würde. Mit der durch den Kristall erhöhten Wahrnehmungsfähigkeit ausgestattet, ordnete sie statt dessen die gesammelten Energien all der Schwestern in ihrem Kreis und verknüpfte sie zu einer einzigen Quelle der Macht. Der Skyronkristall wurde zum Zentrum dieser Kraft, und die energetischen Ströme, ausgesandt aus der lebendigen Kette der Frauen, formten sich zu starren, doch ätherischen Speichen eines Rades.
Lirenda faßte ihr Energiegebilde in Runen der Beherrschung, und die gezeichneten Linien waren machtvoll genug, spinnwebförmige Schatten in den Mondschein zu werfen. Mit der Spitze eines Fingernagels zeichnete sie Siegel um Siegel, ineinander verschlungen wie Angelhaken in dichtem Seegras. Die aufgeblähte Matrix des Juwels reagierte und erfüllte die Verbindung zu jeder einzelnen Zauberin mit ihrer Energie.
Macht floß wie Magma durch die Linien, sammelte sich in einem Becken der Resonanz, bis die verstärkte Aufmerksamkeit der Einhundertundacht zu einem einheitlichen Potential verschmolz. Im rechten Augenblick wandelte sich der Kristall zu einem Reservoir der Macht, gefangen in den gespreizten Händen Lirendas. Seine Aquamarinstruktur veränderte sich, war zunächst klar wie ein Spiegel, dann eine rauchdunkle Verknüpfung, die sich dem Willen der Ersten Zauberin unterwarf. In erwartungsvoller Erregung, beinahe, als strebe sie dem Höhepunkt
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