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Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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den sterblichen Geist durch seine Aura unerschütterlicher Stille mit angstvoller Ehrfurcht.
    »Zweifle nie an meiner Wahrhaftigkeit«, warnte das Wesen. Seine Worte fielen ohne das geringste Geräusch, doch sie schmerzten das lebendige Gewebe wie die dröhnende Vibration sich verlagernder Erdschichten.
    Gewaltig wie eine Bestie stand das Wesen auf knochigen Pfeilern von Beinen, die über seidige Fesselgelenke leuchtend in mächtige Paarhufe übergingen. Flanken und Brustkorb hätten jedem preisgekrönten Roß zur Ehre gereicht, doch erhob sich über der flachen Muskulatur der Vorderhand kein schlanker Pferdehals. Lirenda legte den Kopf in den Nacken, das herzförmige Kinn emporgereckt, und starrte hinauf und weiter hinauf; die Kreatur überragte sie bei weitem. Ein kräftiger Torso und breite, männliche Schultern erhoben sich über dem Pferdeleib, umwogt von einer Mähne wie feinste, gesponnene Seide. Das Gesicht, bärtig wie das eines Löwen, trug menschliche Züge, und sein Kopf wurde von einem verzweigten, prachtvollen Geweih gekrönt.
    »Aths unendliche Gnade«, keuchte Lirenda, gedemütigt durch diesen majestätischen Anblick, der ihren unbedarften Stolz zu Staub zerfallen ließ.
    Dieses Wesen aus geisterhaftem Licht, erschütterte sie zutiefst, zerstörte all ihr logisches Denken. Ihr Herz sehnte sich nach Freude wie auch nach Schmerz und Qual, war gefangen in einem Paradoxon, herbeigeführt von einem Rhythmus und einer Schönheit, die ihre fünf Sinne nicht zu erfassen imstande waren. Durch den Schleier ihrer Tränen erkannte Lirenda, daß das, was sie vor sich sah, der Geist eines wahren Zentauren war. Eines Wesens aus der Rasse der Ilitharis Paravianer, die seit dem Eindringen Desh-Thieres durch das Südtor von diesem Kontinent verschwunden waren.
    Die Kreatur legte den gehörnten Kopf auf die Seite. Sternenlicht und Mondenschein bahnten sich ihren Weg durch ihre substanzlosen Umrisse. »Ich bin Shehane Althain, im Geiste auf ewig diesem Ort als Wächter verbunden. Meine Gebeine bilden das Fundament dieses Turmes, und sein Schutz ist meine Bürde in Ewigkeit.«
    Seit der frühesten Kindheit zum ersten Mal vor Bewunderung all ihrer stolzen Würde beraubt, blinzelte Lirenda. »Dann bist du ein Opfer?«
    Finster wie eine Gewitterfront blickte der Zentaur auf sie herab. »Niemals!« Die Rüge erklang in einem Glockenklang, zu tief, von einem Menschen wahrgenommen zu werden, doch das rauhreifbedeckte Gras unter seinen Hufen schimmerte vibrierend wie brodelndes Glas in einem Schmelztiegel. »Mein Leben war ein Geschenk, das ich um der Notwendigkeit willen aus freien Stücken hingegeben habe, damit dieses Heiligtum, das zu schänden du gekommen bist, vor solch leichtfertigen, närrischen Taten geschützt sein sollte.«
    Nun verdrängte Ärger Lirendas Bewunderung. »Ich kam nicht aus Torheit, sondern um zurückzufordern, was der Bruderschaft nie gehört hat.«
    Der Zentaur fletschte die Zähne wie ein Wolf. »Die Sieben sind weder Diebe noch horten sie fremdes Gut.«
    Lirenda, die sich in demütiger Haltung kniend nie zuvor so unwohl gefühlt hatte, versucht erneut, auf die Füße zu kommen, doch kein Muskel in ihren Beinen wollte sie unterstützen. Angesichts des eigenen Versagens um so zorniger, sagte sie mit harter Stimme: »Da irrt Ihr Euch. Oder warum, denkt Ihr, haben die Zauberer unseren Wegestein seit dem großen Aufstand vor fünfhundert Jahren in ihrem Gewahrsam? Hätten sie geruht, ihn zurückzugeben, dann hätte ich kaum einen großen Korianikreis gegen sie aufbieten müssen.«
    »Es war unsere Entscheidung, diesen Ort der Obhut denjenigen zu überlassen, die geschworen haben, den Pakt zu achten. Die Bruderschaft hat ihr Gelübde gehalten.« Der Zentaur, dessen fahlweiße Umrisse hier und da von funkelnden Sternen durchbrochen wurden, verschränkte die Arme vor der Brust. »Die Granitblöcke selbst haben zugestimmt, die Banne zu tragen, die alles im Inneren dieses Turmes schützen. Das Geschenk dieser Steine war keine Leihgabe, die eines Tages zurückgegeben werden kann. Sie würden eher zu Staub zerfallen, als sich ihrer Aufgabe unwürdig zu erweisen. Also ziehe deiner Wege, denn jeder Akt der Gewalt an diesem Ort ist ein unverzeihliches Vergehen.«
    Lirenda schob ihre Kapuze zurück, und ihr ebenholzschwarzes Haar fiel wogend über ihren Rücken. Sarkasmus füllte ihre Stimme, als sie entgegnete: »Wie sonst wolltet Ihr Sethvir bewegen, zurückzugeben, was unser ist?«
    Ein schauerliches,

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