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Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Stuhl warf. »Ich weiß es nicht.«
    Tharrick stützte sich mühevoll auf einen Ellbogen.
    »Wie kann ich das beurteilen?« fügte sie hinzu, und die Unsicherheit lastete wie ein greifbares Gewicht auf ihren Schultern, die viel zu zerbrechlich schienen, ein hartes Urteil zu fällen. »Arithon hat mich einst aufgefordert, ihn an seinen Taten zu messen. Die Dorfbewohner akzeptieren ihn. Sie mögen nicht wissen, daß er der Herr der Schatten ist, aber sie sind Fremden gegenüber auch gewiß nicht vertrauensselig. Arithon hat niemals jemanden hintergangen, und er hat sich auch nicht hinter einem Lügengebäude versteckt. Von der Musik abgesehen, die aus seinem tiefsten Herzen emporsteigt, hat niemand ihn jemals einen Zauber wirken sehen.«
    Sie verstummte, die Unterlippe zwischen ihre kleinen, scharfen Zähne eingeklemmt.
    Mit gebrochenen Rippen flach auf dem Rücken und hilfloser als je zuvor in seinem Leben, wurde Tharrick plötzlich von dem drängenden Wunsch ergriffen, sie zu beschützen. Sie schien so zart, so müde, allein in diesem Haus und ohne einen geliebten Gemahl, der sie bei der Erziehung ihrer Zwillinge oder in diesem Augenblick qualvoller Unsicherheit hätte unterstützen können.
    Möglicherweise war Arithon gewandt genug, das zu seinem Vorteil zu nutzen. Von einem sonderbaren Gefühl des Neids ergriffen, sagte Tharrick: »Die Magie, der die Waffenkammer von Alestron zum Opfer gefallen ist, hat sieben Männer das Leben gekostet. Ich war dort, als es geschah.«
    Das Licht erfaßte mit mattem Schein die schlichten, hölzernen Haarnadeln, als Jinesse hektisch den Kopf schüttelte. »Ich behaupte nicht, daß er in dieser Angelegenheit oder irgendeiner anderen, die ihm zur Last gelegt wird, unschuldig ist. Er hat nie eine Ausrede gebraucht oder seine Taten der Vergangenheit geleugnet. Sein Schweigen in bezug auf diese Dinge ist so absolut, ich würde ihn bitter enttäuschen, wagte ich es, ihn zu fragen.«
    »Was denkt Ihr über ihn?« drängte Tharrick.
    Die Witwe bückte sich, wrang ein weiteres Leintuch aus und strich einen Klecks Kräuterpaste darauf. »Ich denke, dieser Ort muß nicht in die ganze Sache hineingezogen werden. Der Herr der Schatten hat viel Leid auf sich genommen, nur um hier keine Wurzeln zu schlagen. Ganz im Gegenteil. Er wünscht nur verzweifelt, auf die See hinauszufahren. Wäre er wirklich ein Zauberer oder ein Diener des Bösen, so bezweifle ich, daß er sich, nur um dieser Schiffe willen, bis an das Ende seiner Kräfte schinden würde.«
    Der Schatten einer Möwe glitt am Fenster vorbei. Schaudernd sagte Tharrick: »Was, wenn er diese Schiffe nur baut, um ehrbare Handelsleute zu überfallen?«
    »Piraterie?« Jinesse sah auf. Die Hände voller Heilmittel, starrte sie Tharrick mit entsetzter Miene an. »Das ist es, was Ihr von ihm denkt? Selbst wenn Ihr recht hättet, es gibt nicht den geringsten Beweis für eine solche Unterstellung. Diese Zweimaster sind nicht zur Bewaffnung geeignet. Ich hatte den Eindruck, daß Arithon hofft, er könnte mit ihnen flüchten und so dem Blutvergießen entgehen, daß die Armeen des Nordens über ihn bringen wollen.«
    Nun nahm sie entschlossen schweigend ihre Arbeit wieder auf. Arithon schlief noch immer, so anmutig wie eine Vogelscheuche, den Kopf schief nach hinten gelegt und die zerschundenen Handgelenke auf dem erdverkrusteten Stoff seiner Hose. Jinesse fuhr fort, ihre eigene Mischung aus Kardendistel und Mohn aufzutragen, die die Schmerzen des Invaliden lindern und ihn in den Schlaf wiegen sollte. Geborgen unter ihrer Berührung, sah Tharrick aus halb geschlossenen Augen zu, als sie sich den Korb mit den schmutzigen Leintüchern über den Arm hängte und Kräutertöpfe und Gläser auf einem Beistelltisch einsammelte. Als er sich wieder etwas behaglicher fühlte und langsam in drogenbenebelte Träumerei versank, bemerkte er, mit welch außerordentlicher Sorgfalt sie darauf achtete, den anderen Schläfer nicht in seiner Ruhe zu stören, als sie an ihm vorüberging.
    Ehe er einschlief, dachte er still erleichtert über diese beschützende Haltung nach. Wäre die Witwe vom Herrn der Schatten verdorben worden, würde sie ihn nach heimlicher Absprache verleugnen, so tat sie es, ohne ihm mit ihrem Herzen verbunden zu sein.
    Bald verlor sich der verwundete Gardehauptmann in seinen Träumen, und als er viel später wieder erwachte und Jinesse ihm Brot und Haferschleim brachte, war der Stuhl leer und Arithon längst gegangen.
     
    Die Tage zogen dahin.

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