Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
in die Hände fallen konnten.
Eine salzige Brise strich durch Lysaers blondes Haar, während er seinen trüben Blick über die Bucht schweifen ließ. Der Regen hatte aufgehört, und am Nachmittag war die Sonne wieder zwischen den Wolken hervorgekrochen. Bleiern glänzten die Pfützen im Sonnenschein, während ein silbriger Schimmer die nassen Wedel der Palmhaine umgab. Beinahe, als wären sie unbewohnt, begrüßten die getünchten Hütten Meriors seine Ankunft mit rohen Holzbohlentüren und fest verschlossenen Fensterläden.
Grau und leer wie das Land zog sich der Hafen dahin, dessen gekräuselte Wasseroberfläche von verlassenen Anlegestellen gespickt war. Die hiesige Fischerflotte würde wie an jedem anderen Tage mit der Abenddämmerung zurückkehren.
Jenseits des Ortes stiegen dunkle Rauchfäden spiralförmig von dem Muschelfeld auf, auf dem sich Arithons Werft einst befunden hatte. Nicht ein Flüchtiger hatte versucht, die Postenkette zu durchdringen, die die Landspitze von Scimlade vom Festland trennte; auch auf dem einsamen Logger, der Netze in die Bucht gesenkt hatte, war den Soldaten keine Feindseligkeit begegnet, als sie ihn mit Flaggensignalen aufgehalten hatten, um die Mannschaft zu befragen.
Der Name des Herrn der Schatten hatte nur Verblüffung unter den Männern ausgelöst. Ebenso war es den Söldnern mit einem jeden Mann und einer jeden Frau ergangen, die die vorrückenden Söldner im Handelshafen von Shaddorn, südlich von Merior, befragt hatten.
»Ich frage mich, wie lange er sich auf unser Kommen vorbereitet hat«, überlegte Lysaer, als Diegan sich ihm näherte.
Des Lordkommandanten beste Stiefel hatten sich bei der Landung mit Wasser vollgesogen, und seine Haltung war, trotz des Kettenhemdes und des schmückenden schwarzen Wappenrocks, so trostlos wie das umgebende Land. »Du weißt, daß wir hier nichts mehr finden werden, außer den ausgebrannten Überresten einer Werft.«
Doch längst war ein Suchtrupp ausgesandt worden. Infanteristen wühlten sich auf Diegans Befehl hin durch die rauchenden Überreste der zusammengebrochenen Hütten. Lysaer wartete. Sein königlicher Staat verbarg sich unter der geliehenen Ölhaut eines Seemannes, während die Brecher sich in ihrem ermüdenden Rhythmus donnernd am Strand brachen und der Wind die Oberfläche des Regenwassers in den ungezählten Pfützen kräuselte.
»Sein Rückzug war gut vorbereitet«, bestätigte Avenors Lordkommandant schließlich. »Nicht ein Werkzeug wurde zurückgelassen. Diese Gebäude sind geräumt worden, bevor sie den Flammen geopfert wurden. Wir können Männer in jedes Haus in Merior schicken, wenn du es willst, aber ich würde Diamanten gegen Sand wetten, daß Arithon uns nicht den geringsten Hinweis auf seine Pläne hinterlassen hat.«
Lysaer trat gegen einen verkohlten Stützpfosten, der aus dem Schutt hervorragte, welcher vom Haus des Segelmachers übriggeblieben war. »Er hat die Stadt verlassen«, sagte er kaum hörbar.
»Glaubst du, er wird zurückkehren?« Bereit, eine solche Möglichkeit sogleich zu leugnen, schob Diegan seinen Helm zurück und strich eine feuchte Haarsträhne aus seiner Stirn.
»Nein.« Mit wild flatterndem Ölzeug wirbelte Lysaer um die eigene Achse und schritt bis zur Flutmarke an den Strand. »Das Flüchtlingsschiff, das ausgebrannt ist, war unsere beste Chance, seine Spur aufzunehmen. Nun, da wir diese Gelegenheit verpaßt haben, kann er sich überall auf der Weite des Ozeans versteckt halten. Das ist ein Hindernis, aber keine Niederlage. Der Stil unseres Feindes ist so einzigartig wie unverwechselbar, und ich werde Mittel und Wege finden, ihn zu erwarten, ganz gleich wo er an Land zu gehen beschließt.«
Als die Fischerlogger im Zwielicht nach Hause segelten, fanden sie ihre Bucht belagert von Kriegsgaleeren und die Küste übersät von Söldnerlagern vor. In wildem Durcheinander näherten sich laut krakeelende Männer gleichzeitig mit den guten Frauen des Ortes der festgetrampelten Erde auf dem Fischmarkt. Eine Gruppe gepflegter Offiziere aus den Reihen des Avenorschen Heeres trat vor, um den Menschen zu versichern, daß der Prinz ihre Klagen nicht ungehört verhallen lassen würde. Der Prinz des Westens selbst hielt auf einem Podium, erbaut aus Fischfässern und rohen Planken Hof, gekleidet in einen reich mit Gold verzierten Wappenrock. Zum Zeichen seines königlichen Ranges trug er lediglich einen güldenen Haarreif. Gegen jeden Rat, hatte er auf jegliche Bewaffnung verzichtet. Seine
Weitere Kostenlose Bücher