Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
einer Stunde, mühte sich Dakar über das Felsgestein, das sich unter den Sohlen seiner Stiefel löste, und kroch über scharfkantige Steilhänge, an denen er sich die empfindliche Haut seiner Hände aufschürfte. Der Wind trieb kalte Luft, beladen mit dem scharfen, beißenden Hauch des Frostes, von den Gipfeln herab. Frierend in seinen schweißgetränkten, über und über mit den Stacheln des Stechginsters bedeckten Wollhosen, beide Handflächen wund von dem verzweifelten Versuch, sich an vertrocknetem Farnkraut festzuhalten, hing Dakar mit einer nie dagewesenen, unerschütterlichen Duldsamkeit an Arithons Fersen. Je höher sie stiegen, desto stoischer wurde er, bis die Erschöpfung sogar seine Neigung zum Fluchen bis auf ein Minimum reduziert hatte.
Zu diesem Zeitpunkt ragten die Gipfel des Kelhorngebirges prachtvoll wie Sägezähne vor ihnen auf; unter ihnen waren in den Tälern im Nordwesten, die schwarzroten Steine einer Ruine zwischen den Bergen erkennbar. Einst eine paravianische Festung, sandten die zusammengebrochenen Überreste eines Kraftkreises eine sanfte, ebenmäßige Resonanz durch die Wildkräuter, die das Gemäuer überwucherten. Hätte Arithon nicht den Zugriff auf jene Gabe verloren, die seine magischen Fertigkeiten gespeist hatte, so hätte er das zarte Glimmen überall dort erkennen können, wo die bezähmte Macht des Vierten Weges durch die halbvergrabenen Muster des Kraftkreises floß. Der Schauplatz eines Mysteriums des Zweiten Zeitalters schien der wahrscheinlichste Grund für diese Reise zu sein, doch Dakars innige Hoffnung wurde bitter enttäuscht, als das Tal zugunsten eines steinigen Weges zurückfiel, der sich in wirren Schlangenlinien in den Fels kerbte und weiter hinauf führte.
Kaum hatten sie die zerklüfteten Schieferhänge erreicht, verließ Arithon den Weg, um nach Wurzeln zu graben. Da er sich keineswegs gesprächsbereit zeigte, verbrachte Dakar die Wartezeit keuchend und haltlos in sich zusammengesunken auf einem wenig einladenden Felsbrocken.
Der Nachmittag wich allmählich wolkenverhangenem Zwielicht. Arithon spannte den Bogen und schoß einen der Jahreszeit entsprechend abgemagerten Hasen, den Dakar feindselig schweigend über einem kläglichen Feuer aus Reisig und totem Gestrüpp garte. In den Bergen von Vastmark herrschte steter Wind, zu stürmisch, Bäumen einen Lebensraum zu bieten, und die steinige Erde war selbst für die Nadelgehölze, die sich anderenorts in den ungastlichsten Gegenden ansiedelten, zu mager. Die wenigen Winkel, die nicht unter dem Einfluß der böigen Winde kahl geworden waren, wurden von dicht wachsendem Stechginster überwuchert. Hier oben mußte sich ein Mann auf den kahlen Felsen legen und sich fest in seinen Mantel wickeln, wenn er keine Decke bei sich hatte. Anderenfalls würde er an Schlafmangel zugrundegehen und Opfer einer Vegetation werden, die sich verschworen hatte, jeden Passanten mit Dornen und Stacheln zu quälen.
Dakar verbrachte die Nacht in elenden, langen Intervallen der Schlaflosigkeit, und wenn er doch einmal einschlief, so quälten ihn sogleich schreckliche Alpträume. Bei Anbruch der Dämmerung erhob er sich, mürrisch und wund, aber noch immer fest entschlossen, den Provokationen seiner Nemesis standzuhalten.
Sie frühstückten den verkohlten, aufgespießten Kadaver eines Waldhuhnes und einige ungebutterte Stücke Schiffszwieback, ehe sie sich wieder auf den Weg machten. Dakar litt schweigend, so sehr es ihn auch bekümmerte, zum Klettern gezwungen zu werden, obgleich er sich noch immer halb verhungert fühlte. Arithon schien hingegen trotz seiner gestrigen Mühsal abseits des Weges nichts an Energie eingebüßt zu haben. Leichtfüßig und sicher schritt er über den schmalen Schafspfad dahin, und das Bündel, das er auf der Schulter trug, behinderte ihn offenbar nicht einmal bei den steilsten Aufstiegen.
»Ist Euch bewußt«, keuchte Dakar in dem müden Versuch, eine Rast herauszuschinden, »daß Ihr die letzte Lyranthe Elshians in tausend Splitter zerlegen werdet, solltet Ihr ausrutschen und abstürzen?«
Sicheren Standes auf einem Felsvorsprung, war Arithon offensichtlich nicht geneigt zu antworten. Dakar sog scharf die Luft zu einer bitterbösen Verunglimpfung ob dieser rohen Behandlung ein, ehe er, ganz gegen seine Gewohnheit, innehielt. »Was ist los?«
Arithon schirmte seine Augen mit der Hand vor dem wolkengefilterten Licht ab und streckte einen Finger aus. »Da, siehst du sie?«
Schnaubend erklomm Dakar die
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