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Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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findest du plötzlich Lust am Klettern, oder du sitzt hier fest. Es sei denn, du entwickelst dich überraschend zum Seemann, so daß du meine Schaluppe allein segeln kannst.«
    »Das ist nicht lustig.« Dakar legte Bogen und Pfeile ab und zog den fetten Bauch ein, um dem Herrn der Schatten zu folgen. Mochte sein Abstieg auch wenig geschmeidig aussehen, so war er doch kaum langsamer. In einem Hagel mitgerissener Steine rutschte er hinab auf den unteren Sims. Sofort zerrte er die Tunika, die ihm bis zu den Achselhöhlen hinaufgerutscht war, wieder über seinen Bauch und spuckte die eingesogenen Bartspitzen aus, um sich mit einer bissigen Bemerkung zu revanchieren.
    Seine Worte erstarben unausgesprochen. Ein Schauder des Entsetzens erfaßte ihn, als er die Wahrheit erkannte: Der Schäfer mit dem Messer war kein Mann, sondern ein Knabe, nicht älter als zwölf Jahre.
    Mit verständnisloser Miene und allen Anzeichen des Schocks, starrte der Junge seinen Rettern entgegen. Wächserne Blässe hatte unter der aufgerissenen Schmutzschicht von den klaren, kindlichen Zügen seines runden Gesichts Besitz ergriffen. Strohiges Haar hing in verfilzten Strähnen über seine blutige Schulter. Auch der schmutzige Umhang, mit dem er seinen Arm zur Abwehr der Zähne und Klauen umwickelt hatte, war mit rostroten Blutflecken bedeckt, und sein Hemd war mehr rot als safrangelb. Kaum mehr als solcher zu erkennen, lugte ein nackter Fuß stark geschwollen unter den zerrissenen Stulpen seiner Hose hervor.
    »Daelion behüte! Du hast wirklich unglaubliches Glück, noch am Leben zu sein«, sagte Dakar. Über ihnen hallten die schrillen Schreie der kreisenden Wyverns durch die Luft, die nun, da ihr Opfer nicht mehr allein war, keinen weiteren Angriff wagten.
    Während Dakar noch um seine Fassung rang, beugte sich Arithon zu dem Jungen herunter und löste seine verkrampften Finger vom Heft des Dolches. »Es ist alles in Ordnung. Du bist jetzt nicht mehr allein, und das hier brauchst du nun nicht mehr.«
    Am ganzen Leibe bebend, brach der Knabe wimmernd zusammen.
    Arithon barg seinen Kopf an seiner Brust und umfaßte ihn fest mit seinen Armen, ehe er seine Linke nutzte, vorsichtig das heiße, geschwollene Fleisch an seinem Fußgelenk zu untersuchen. Im Augenblick der Berührung zuckte das Kind zurück und versuchte, seinen Armen zu entkommen. »Ganz ruhig. Du bist gleich wieder auf den Beinen, und wir bringen dich sofort hier raus.« Doch das scharfe Knirschen der Knochen unter seinen vorsichtig tastenden Fingern strafte die banale Besänftigung Lügen.
    Als würde ihn der Schmerz um den Verstand bringen, sträubte sich der Knabe nur noch stärker.
    »Jilieth«, keuchte er. Es war das erste, klare Wort, das er gesagt hatte. »Seht doch nach Jilie.« Strampelnd befreite er seinen Arm, um an etwas zu zerren. Geschützt in der Felsspalte hinter ihm: ein zweites, noch herzzerreißenderes Bündel voller scharlachroter Flecken.
    »Gnädiger Ath!« Dakar fiel auf die Knie. Vergessen war sein Widerwille. Eine nähere Untersuchung offenbarte ein Gesicht und eine kleine Hand in dem Durcheinander zerfetzter Kleider. Hinter dem Knaben lag ein zweites Kind, ein Mädchen, kaum sechs Jahre alt.
    »Deine Schwester?« fragte Arithon.
    Angstvoll nickte der Junge.
    »Nun gut, sei tapfer.« Während der Herr der Schatten den verletzten Jungen zur Seite schob, drängte sich Dakar vorbei und hob den erbarmungswürdig zerfetzten Leib des kleinen Mädchens mit äußerster Behutsamkeit aus der Felsspalte. Die Berührung weckte sie. Das eine braune Auge, das ihr geblieben war, fixierte das fremde, bärtige Gesicht flehentlichen Blickes. »Papa. Wo ist mein Papa?«
    Hilflos vor Kummer knirschte der Wahnsinnige Prophet mit den Zähnen. »Würde ich wenigstens die Hälfte dessen beherrschen, was Asandir mich gelehrt hat, dann könnte ich jetzt helfen.«
    »Vergiß es.« Mit beruhigenden, aufmunternden Worten ließ Arithon den Knaben los, wandte sich um und nahm das tränenüberströmte Gesicht des Mädchens in seine Hände.
    »Papa«, wiederholte sie, als sein Schatten über sie fiel.
    »Dein Vater ist mit dir, glaube mir«, versicherte er in dem geübten, ruhigen Timbre, daß er in seiner Lehrzeit als Schüler eines Meisterbarden erworben hatte.
    »Ghedair hat gesagt, er würde kommen«, keuchte das Mädchen. Blut sprudelte aus ihrer Kehle hervor und rann über ihre Mundwinkel. Krampfhaft hob sich ihre Brust, als sie, mühsam der Flüssigkeit in ihrer Lunge trotzend, ein

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