Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
ein böser Zauberer ist, doch ich bin nicht Daelion, der Herr des Schicksals. Mir steht es nicht zu, über ihn zu richten. Soweit es mich betrifft, ist er der Meister, dem ich gedient habe und der mich stets anständig behandelt hat. Dafür würde ich mich Dharkarons Speer der Verdammnis stellen und vergnügt das Rad verlassen und gen Athlieria ziehen. Wenn blinder Gehorsam in Prinz Lysaers Diensten und nach seinen Vorstellungen von Gerechtigkeit moralisch richtig sein soll, so ziehe ich es vor, meinem eigenen Ehrgefühl zu dienen.«
»Was also werdet Ihr tun?« hakte Jinesse nach. »Die Halbinsel ist von Avenors Truppen umstellt. Lysaers Gardisten beobachten jede meiner Bewegungen. Früher oder später werden sie Forderungen stellen, und die Dorfbewohner unterstützen mein Schweigen nicht.« Verbittert, beinahe gebrochen, schloß sie: »Ich kann meine Kinder nicht im Stich lassen.«
Tharricks Fingerspitzen spannten sich um ihr Knie. »Ich habe Euch mein Wort gegeben, werte Dame.« Während das Mondlicht den Raum flutete und die Züge der Witwe in seinem silbernen Schein badete, erzählte er ihr mit kurzen, abgehakten, geflüsterten Sätzen von den Matrosen, die den Feuerpfeil verlassen hatten und an Land gerudert waren.
»Sie werden in der Herberge der Eingeweihten Aths um Asyl bitten. Ich habe die Absicht, mit allem, was ich über Lysaers Feldzug in Erfahrung bringen kann, ebenfalls die Herberge aufzusuchen. Ich sage Euch das, liebe Frau, weil ich innig hoffe, daß Ihr mich begleiten werdet.«
»Ich kann nicht.« Der dünne Faden, an dem Jinesses Fassung hing, löste sich auf, und ihr schmaler Leib krümmte sich unter krampfhaftem Schluchzen. »Fiark und Feylind sind in Gefahr. Lysaer behauptet, er würde sich um sie kümmern. Aber er kann nicht überall sein, und wo ein Heer marschiert, geschehen Greueltaten. Ich fürchte mich vor dem, was geschehen mag, wenn meine Zwillinge in das Blutvergießen geraten, das dem Herrn der Schatten gilt.«
Der endlose Fluß ihrer Tränen und die Furcht in ihrer Stimme veranlaßten Tharrick, sich trotz seiner Schmerzen aufzurichten, und sie in seine Arme zu ziehen. »Ich mag beschlossen haben, für Arithon zu kämpfen, doch das bedeutet nicht, daß ich der Vernichtung kleiner Kinder zusehen werde. Kommt mit mir, fort von hier. Ich werde Euch helfen, Eure Kinder zurückzubekommen.«
»Dann hat er Euch also gesagt, wohin er segeln wird«, murmelte Jinesse, und ein erleichtertes Seufzen entstieg ihrer tränenerstickten Kehle.
»Nein«, flüsterte Tharrick, die Lippen an ihrem Haar. »Aber so wahr Ath mein Zeuge ist, er muß es Euch verraten haben.«
Bindeglieder
Mit beachtenswertem Desinteresse für die Pläne der Korianizauberinnen, die Schutzbanne des Althainturmes zu durchbrechen, sitzt Sethvir mit gedankenverlorenem Blick über einer leeren Teetasse und beobachtet Geschehnisse, weit entfernt von dem winterlichen Himmel vor seinem Fenster: Auf den ziegelgemauerten Befestigungen Avenors weint eine verlassene Prinzgemahlin einsame Tränen, zwei lärmende, ausgelassene blonde Kinder vergnügen sich lachend auf den Decks eines Zweimasters im Hafen von Southshire; in Vastmark reiten Wyverns auf den Winden, und ihre Reptilienaugen suchen wachsamen Blickes nach verirrten Schafen, während unter ihnen träge Schäfer ihre Herden durch einen Engpaß auf die Weiden in den Ebenen treiben …
In der Steppe von Shand flüchtet ein buntes Durcheinander geraubter Tiere durch die Wildnis von Alland; Herde um Herde werden Pferde und Rinder von den Clanmännern Erliens gen Westen gehetzt …
In Merior schreibt Lysaer s’Ilessid einen Brief voller Zärtlichkeit an seine Frau, erzählt ihr, daß sich noch kein Krieg abzeichnet, während er geduldig darauf wartet, daß eine Witwe ihr qualvolles Schweigen bricht, als sein Wachoffizier ihn mit der schlechten Nachricht aufsucht, daß Jinesse und der Hauptmann Tharrick der Wache in der Hütte entwichen sind und eine Suche im Ort nicht zum Erfolg geführt hat …
3
VASTMARK
An dem Morgen, an dem die Absperrkette der Soldaten Lysaers am Rande der Landspitze von Scimlade in aller Eile verstärkt wurde, um die Flucht von Tharrick und Jinesse aus Merior zu vereiteln, legte Arithon s’Ffalenn mit seiner Schaluppe Talliarthe im Handelshafen zu Innish an. Dort verbrachte er einige arbeitsreiche Tage, während derer er für wenig Lohn in Tavernen musizierte. Er frischte einige ausgewählte Freundschaften auf und versicherte sich
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