Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
Einflüsse des Geistes und des Herzens eines jeden Bittstellers, der das Heiligtum betrat. Nur um der Notwendigkeit willen, ein zerstörtes Gleichgewicht wiederherzustellen und das abartige Durcheinander in der natürlichen Ordnung aufzulösen, hatte der heilige Friede dieses Ortes seine tiefsten Quellen der Mysterien dargeboten. Der Anprall der finsteren Mächte des Fluches Desh-Thieres hatte eine Störung zurückgelassen, wie ein Loch von tiefster Finsternis, einer Lampe, deren Energien gänzlich verbraucht waren. Seit dem Verlust der alten Rassen flackerte das Licht der feinsinnigen Weisheit des Ordens ersterbend, wie ein Funkenflug von einem glühenden Docht in böigen Winden.
Kein lebender Eingeweihter vermochte den Preis dieser Nacht einzuschätzen oder gar zu sagen, wie viele Generationen geheiligter Siegel und Rituale an diesem einen Abend ausgebrannt waren. Prinz Lysaer hatte nicht auf den rechten Weg des gesunden Geistes zurückgeführt werden können. Statt dessen war die unselige Weihe, die ihn in seiner blinden Besessenheit verharren ließ, erneuert worden.
Das Heiligtum aber würde Jahrhunderte brauchen, ehe seine einstige Pracht wiederhergestellt werden konnte, falls diese Möglichkeit überhaupt bestand. Jene Geister, die in den vergangenen Jahren bereit gewesen waren, die weiße Robe der Eingeweihten zu tragen, waren nicht einmal genug gewesen, diejenigen zu ersetzen, die gestorben waren.
Schwer lastete die Verzweiflung auf ihren Schultern, als die Eingeweihte den Verfall des inneren Heiligtums ihrer Herberge betrachtete. Die Tränen, die Spuren auf ihren Wangen hinterließen, weinte sie nicht für die Tiere oder die Bäume, sondern um eines Mannes königlicher Herkunft willen, der so tief in dem bösartig verzerrten Muster seiner angeborenen Gaben verfangen war, daß selbst dieser mitleidsvolle Ruf nicht ausgereicht hatte, seine Lebensaura zu reparieren und in Harmonie und Balance zurückzuführen.
Mit jedem Gedanken aber waren die Erleuchteten mit einer traurigen Erkenntnis konfrontiert; beim Anblick der toten Blätter, durch die Abwesenheit der Raubtiere und der geflügelten Geister, durch das leblos klingende sterile Tropfen von Wasser. Der Fluch, der den Sproß derer zu s’Ilessid gefangenhielt, hatte sogar noch schlimmere Ausmaße angenommen, als die Bruderschaft der Sieben vorhergesagt hatte. Lysaer konnte sich zu einer Macht entwickeln, die selbst die grundlegende, heilige Ordnung des Landes zu zerstören vermochte.
»Ich fürchte um die Zukunft«, murmelte Claithen, und in jeder Silbe schwang ein rauher, trauriger Ton mit. Zu seinen Füßen sah er den Grund für seine Sorgen. Die Bande des Nebelgeistes, die den s’Ilessid-Prinzen umfangen hielten, brachten beängstigende Wirrnis mit sich, geeignet, selbst die Verbindung des Landes zu den Mysterien Aths zu beflecken. So etwas war noch nie zuvor geschehen, doch nun, da die Paravianer fort und das Netzwerk ihrer Segnungen, herbeigerufen durch ihre großen Rituale, mit jedem Jahr mehr dem Verfall anheimgegeben war, wurde selbst die Verschmelzung mit der ursprünglichen Macht mehr und mehr zu einer vergessenen Kunst.
Claithen ergriff eines der braunen, zusammengeschrumpften Blätter im Schoß der Schwester und strich es auf seiner Handfläche glatt. »Was wir zu tun haben, steht außer Frage«, seufzte er schließlich resigniert. »Wir werden uns ein wenig in den Lauf der Weltengeschehnisse einmischen müssen. Tharrick und Jinesse und die beiden Matrosen, die Ath um Asyl ersucht haben, dürfen den Verwicklungen eines aufkommenden Krieges nicht ausgesetzt werden.«
Die weißgekleidete Frau faltete zustimmend die Hände. »Mit der Macht der Mysterien sollen zwei unserer Brüder mit ihnen gehen, um die Blicke der prinzlichen Wachen auf andere Dinge zu locken. Aths eigene Gnade wird dafür sorgen, daß sie die Absperrungen sicher durchqueren und beim Caithdein von Shand Zuflucht finden werden.«
Der Großherzog von Alland, Lord Erlien, würde sich ihrer Freiheit, ihren Weg selbst zu bestimmen, nicht entgegenstellen. In seinen Händen würden der Mann und die Frau davor bewahrt werden, zu einem Werkzeug zu werden, mißbraucht, um das drohende Blutvergießen voranzutreiben.
Tagesanbruch
Der Marsch, den Berghang hinab, auf der Suche nach der Familie der Schäferskinder, wurde zu einer nervlichen Herausforderung für beide Männer. Zum ersten Mal in seinem verantwortungslosen Leben empfand Dakar den Verdruß, beladen wie ein Packesel
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