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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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wie eine Narbe. Schwarzfüßige Schafe weideten zwischen den Astern am Ufer, bewacht von scheckigen, übellaunigen Hunden. Tief im Schatten, auf den ersten Blick kaum zu entdecken, kauerten sich drei Schäferzelte unter den hochaufragenden Kamm des nördlichen Hanges, verziert mit den typischen gelben und roten Mustern der Sippschaften, die, von der Sonne gebleicht, kaum mehr Farbe aufwiesen als ein schwach aufgebrühter Tee.
    Versteckt im Geröll erwartete eine Wache die näherrückenden Männer. Die Frau, die das Licht der Welt in Vastmark erblickt hatte, trug weit geschnittene Hosen, die an den Knien von Strumpfbändern gehalten wurden, und eine staubige Tunika, in der Dornenranken unzählige Löcher hinterlassen hatten. Ihr glanzloses Haar hatte sie zu Zöpfen geflochten, und über ihrer Schulter hing ein ansehnlicher, lackierter Bogen. Das Horn an ihrem Gürtel wurde von einem gravierten Silberrand geziert, und sie trug neben ihrem Köcher mit Jagdpfeilen einen Hirtenstock bei sich. Die erfahrenen Männer unter den Verwundeten aus Lysaers Heer konnten bei ihrem Anblick kaum das geübte Blinzeln ihrer Augen übersehen, als sie die Distanz abschätzte, genausowenig wie ihren muskulösen Körper und die Haltung, die einen deutlichen Hinweis auf ihre Gewandtheit lieferte.
    Nach dem Gemetzel, das sie gerade erst in Haven erlitten hatten, erfüllte der Anblick eines jungen Hirtenmädchens, das sich auf die Kriegskunst verstand, die Männer mit Schaudern. Auch die Gastfreundschaft, die sie im größten der Zelte erfuhren, in dem ihnen ein altes Großmütterchen Hammelfleisch und Ziegenkäse reichte, die in ihrem Dialekt vor sich hin murmelte und hinter den Rücken der Männer unentwegt Zeichen gegen das Böse machte, vermochte ihr Unbehagen nicht zu lindern. Die Männer beugten sich über Krüge mit kaltem Wasser und trockenes Gebäck und steckten die Köpfe zusammen, doch ihre geflüsterten Spekulationen fanden ein jähes Ende, als ein vernarbter Clankrieger den Vorhang zurückschlug und ihnen mitteilte, daß der Prinz von Rathain nun zu ihnen sprechen würde.
    Von der eigenen Furcht zum Schweigen gebracht, blickte jeder der Gefangenen jenem schlanken Mann entgegen, der, bewaffnet mit einem lackierten Bogen und einem Schwert aus widernatürlich dunklem Stahl, das Zelt betrat. Das Licht, das gedämpft durch das Segeltuch hereindrang, spielte über seine adrette Gestalt, die in ein grünes Seidenwams gehüllt war, auf dem der königliche Leopard in den hochherrschaftlichen Farben Silber und Schwarz eingearbeitet war. Das Gesicht unter dem frisch geschnittenen Haar und dem Reif als Zeichen der Herrscherwürde war den Männern während der vorangegangenen zwei Wochen vertraut geworden.
    Vor ihnen stand der Prinz von Rathain, bekannt als Zauberer und Schattengebieter. Und er war kein anderer als eben jener Heiler, dessen Hände ihre Wunden versorgt und ihre gebrochenen Knochen geschient hatten, der sie mit einer Barmherzigkeit umsorgt hatte, die nun, da er sich zu erkennen gegeben hatte, beinahe wie ein Fiebertraum erschien. Die Ironie sprach jeder Vernunft Hohn, so unfaßbar schien es, daß derselbe Mann vollkommen willkürlich den Tod über Haven gebracht hatte.
    »Möge Ath uns gnädig sein«, keuchte ein Veteran mit eisengrauem Haar. Aus einem Reflex heraus schob er den Knaben mit dem gebrochenen Arm schützend hinter sich.
    In einem flammenden Blick grüner Augen spiegelte sich die bekümmerte Erkenntnis einer Furcht, die selbst die Tapfersten und die Aufrechtesten vor allzu großer Nähe zurückschrecken ließ. »Ich bin gekommen, euch alle zu meinen Gesandten zu ernennen«, sagte der Herr der Schatten in die feindselige Stille.
    Hier richtete niemand einen aufrechten Appell an sie, wie Lysaer es getan hatte. Die Züge dieses Prinzen blieben verschlossen, und seine Stimme, klar und hell, trug keine Bitte um Loyalität an die Männer heran. Und das Schicksal, das der Herrscher von Rathain ihnen zugedacht hatte, offenbarte er ihnen gänzlich ohne Ausschmückungen mit einer Offenheit, die keiner seiner Zuhörer ihm abzunehmen wagte.
    »Ihr werdet eine Eskorte erhalten, die euch bis in das große Tal im Herzen von Vastmark begleiten wird, wo ihr zu dem Rest eures Heeres stoßen werdet.« In dem aufbrandenden Gemurmel ungläubiger Stimmen rief Arithon: »Ich brauche einen Wortführer unter euch. Du!« Er deutete auf einen ranghohen Offizier aus der Stadt Perlorn, der nach der Charta der alten Königreiche ein Untertan

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