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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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war unbewaffnet, nur der alte braune Lederbeutel mit den Arzneien hing über seiner Schulter.
    Erst als er näher trat, um Verbände und Umschläge zu kontrollieren, wurden die Anzeichen einer unruhigen Nacht in seinen Zügen erkennbar. Er sah gequält aus, und hinter jeder seiner Bewegungen verbarg sich eine gehetzte Anspannung, die ihn beim kleinsten Geräusch zusammenfahren ließ. Wieder und wieder legte er den Kopf auf die Seite, als lauschte er Stimmen, die nur er allein hören konnte. Als wäre er gefährlich, als wäre es riskant, sich ihm zu nähern, hielten alle außer dem fetten Mann einen wachsamen Abstand zu ihm aufrecht.
    So sehr er sich auch von den clanblütigen Mördern unterschied, zwischen denen er wie eine Falkenfeder inmitten von schweren Klingen wirkte, wagte doch keiner der gefangenen Verwundeten, seine kummervolle Stille zu stören und ihn zu fragen, warum er so offensichtlich gegen seinen Willen hier war.
    Langsam setzten die Männer sich in Bewegung. Mit einer Geschwindigkeit, so angemessen gewählt, auch den Gebrechlichsten nicht zu überfordern, marschierten sie landeinwärts, zwischen Gipfeln hindurch, die sich spindelförmig in die Wolken bohrten oder von einer silbrig glänzenden Schicht frischen Schnees bedeckt waren, der sogleich taute, als die Sonnenstrahlen ihn erreichten.
    So begann die mühselige Wanderung, die sie fünfzehn volle Tage lang über die hochgelegenen Pässe führte.
    Städter, denen die zerklüftete Landschaft in Vastmark fremd war, lernten das Heulen des Windes hassen, der durch Ginstersträuche, über Felsen und Steinhänge fegte. Sie verwünschten den tückischen, gefährlichen Schiefer, der ohne jede Vorwarnung unter ihren Füßen splitterte und in unzählige Fragmente zerbrochen den Hang hinabstürzte. Am Tage erfüllten die Rufe der Wyverns und der Falken die Luft, in der Nacht war es das stete Summen der Insekten. Torf für die Brennstellen mußte in den Sumpfgebieten der Niederungen gestochen und auf die Höhenzüge hinaufgetragen werden, weshalb die Herdfeuer erbärmlich klein und kurzlebig ausfielen. Die wenige verfügbare Wärme war in den kalten Nächten jenen vorbehalten, die sie, durch den erlittenen Blutverlust geschwächt, am meisten brauchten. Die Clankrieger beklagten sich nicht. Die Härte des Lebens unter freiem Himmel gewöhnt und geübt darin, Zelte unter den gierigen Fingern heftiger Winde aufzustellen, kauerten sie sich gemeinsam unter ihre Decken oder hielten im Windschatten eines flechtenverkrusteten Felsvorsprunges Wache und polierten ihre beingefaßten Waffen.
    In der fahlen Dämmerung eines jeden Morgens erwachten sie unter den Schreien der Wyverns, die von den akzentuierten Konsonanten der Nachtwache begleitet wurden, welche ihren Bericht über die Vorfälle der vergangenen Stunden ablieferte. Mancher litt so mit jedem neuen Tag größere Furcht um seine Zukunft, andere hingegen stellten verwirrt fest, daß ihre Sorgen abnahmen, während sie still dasaßen und ihre Wunden der umsichtigen Pflege des Heilers überließen. In all der Zeit unter den Clankriegern hatte keiner von ihnen Anzeichen für die unmenschliche Hexerei des Schattengebieters bemerkt. So aufmerksam sie auch beobachteten, konnten sie doch nichts Verderbtes, nichts Böses entdecken, nur den Beweis überragender Führerschaft und ungebrochener Kameradschaft unter den Männern, die versiert genug waren, stets mit gleicher Effektivität ihren Pflichten nachzukommen.
    Gleich, wer auch fragte, ob es der grauhaarige Veteran mit wohlerwogenen Worten tat oder der angstvoll flehende Knabe, keiner von den Überlebenden konnte den Clankriegern einen Hinweis auf das Schicksal abringen, das sie erwartete. Auch der fette Mann war taub für all ihre Fragen.
    Die Kundschafter wiesen die Gefangenen schroff ab. »Es obliegt allein seiner Hoheit, ob und wann er euch unterrichtet«, sagten sie nur, oftmals unter einem raschen Blick über die Schulter, als fürchteten sie, beobachtet zu werden.
    Von dem Heiler, dessen Namen sie nicht kannten, erhielten sie nur das leise Versprechen: »Ihr werdet am Leben bleiben.«
    Doch zu welchem Nutzen, welch schwarzmagischer Teufelei, welch Schicksal sie erwarten mochte, sie alle fürchteten den Gedanken ebenso wie die Alpträume, die sie nachts heimsuchten. Bald hatten sie eine ausgedehnte Wiese erreicht, die sich wie ein Seidengewebe zwischen das hochaufragende Geröll zweier Berghänge schmiegte. Ein von einer Quelle gespeister Bach durchzog das Grün

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