Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
Rathains hätte sein sollen. »Tritt vor.«
Der genannte Mann tat wie ihm geheißen. Viel zu aufrecht stand er da in seinem zerfetzten Kettenhemd, die Hand, die Dank der fürsorglichen Pflege des Feindes gut verheilte, vor der Brust, als fürchtete er, der prüfende Blick, der auf ihm ruhte, könnte ihm die Haut vom Leibe ziehen.
»Ich möchte, daß ihr eurem Herrn und Meister die Nachricht über eure Niederlage in Haven noch vor dem Ende der Woche überbringt«, sagte Arithon. »Sucht Lysaer s’Ilessid auf und haltet ihm kein Detail der Ereignisse vor. Ich wünsche keine Fehlinformationen und keinen Versuch, euren Untergang in der Bucht als Unglücksfall darzustellen.« Eine Pause trat ein, die der verwundete Hauptmann nutzte, über diesen sonderbaren Wunsch nachzudenken und zu rätseln, was diesen Feind bewegen mochte.
»Dies sollt ihr wissen«, kam Arithon ihm zuvor, noch ehe er den Mut fand, eine Frage zu stellen. »Wenn das Heer der Verbündeten unter dem Befehl Lordkommandant Diegans in Vastmark zu den Waffen greifen sollte, so werde ich vorbereitet sein. Ihr selbst konntet die Fähigkeiten meiner Bogenschützen auf die Probe stellen. Die Taktik, der ihr in Haven unterlegen wart, kann durch Zauberei und Schatten noch um ein Vielfaches schlimmere Folgen verursachen. Und ich warne euch. Es kommt weder auf die Zahl eurer Soldaten an noch auf ihre Moral oder Entschlossenheit. Jeder, der durch dieses Land marschiert, um meiner habhaft zu werden, wird ein Desaster erleben. Die Männer, die du zurückführen wirst, sind meine Zeugen. Sorge dafür, daß sie gehört werden, und mach den Offizieren in Lysaers Heer klar, daß ich nicht untätig zusehen werde, wenn sie in Shand ein Blutvergießen anrichten wollen.«
»Ihr verlangt, daß wir unsere eigenen Leute entmutigen«, beklagte sich der ausgemergelte Hauptmann.
Mit ironischem Funkeln wanderte der Blick grüner Augen zu den seinen hinauf. »Daelion ist mein Zeuge«, konterte Arithon aufbrausend, »daß ich allein euer elendes Leben retten will.«
Im Dienste Lysaers hatte Lord Diegan wieder einmal erkennen müssen, wie sehr ihm kalter Regen und Lagerstätten unter freiem Himmel zuwider waren. Seit drei Tagen, während die Hauptstreitmacht sich ihren Weg gen Vastmark erkämpfte, lagen die Berggipfel unter Wolken verborgen. Steter Nieselregen tauchte die Gegend in zinnernes Grau, und die Schieferplatten ragten in der Dunkelheit auf. Die magere, steinige Erde wurde von glitzernden Rinnsalen durchzogen, wenn sie nicht gleich dem schwarzen Morast wich, in dem ein Pferd bis zum Bauch versinken konnte. Trockenen Boden gab es weit und breit nicht, und die Zelte auf den Schotterflächen waren inzwischen ebenso feucht und unbehaglich klamm wie die, die auf dem nach Torf riechenden Erdboden aufgebaut worden waren.
Dem Arbeiter aus der Wollfabrik, der ihnen als Führer diente, war das schlechte Wetter lediglich ein schräger Blick unter buschigen Brauen hinauf in den trübgrauen Himmel wert. »Verfluchte Vastmarkwolken, können eine ganze Woche lang Wasser verschütten. Aber Ath sei es gedankt. In diesem Drecksland ist das die einzige verdammte Sache, die den Schafen die Wolle wachsen läßt.«
Im flackernden Lichtschein der Fackeln stand Lord Diegan in seinen Stiefeln, die innen voller Steine und außen schlammverkrustet waren, und verfluchte alles, was auch nur entfernt mit Wolle oder Schafen zu tun hatte. Um ihren Proviant war es zunehmend düster bestellt. Mehl und Hafer fielen in der steten Feuchtigkeit dem Moder zum Opfer, und so fand sich jegliches Getier, das den Pfad der Truppen kreuzte, alsbald auf der Schlachtbank wieder.
Noch ehe er die Zügel seines Schlachtrosses einem Stallburschen übergeben konnte, wurde er schon wieder gebraucht. Diegan, Lordkommandant des Heeres von Lysaer s’Ilessid dankte dem Schicksal, daß die s’Brydions die Nachschublinie aufrechthielten. Wären sie nicht tüchtig wie Ochsen, dann wäre der ganze Feldzug längst im Sande verlaufen.
»Herr, einer der Männer von der Grenzpatrouille bringt Euch Neuigkeiten«, unterbrach sein persönlicher Diener, ein rauflustiger kleiner Mann, der heimkehrende Kundschafter und aufdringliche, dumme Diener gleichermaßen zu den großen Übeln des Lebens zählte, seinen Gedankengang.
Routinefragen wurden niemals vor den Kommandanten getragen, und der Kundschafter hatte nur wenig zu sagen: »Gnädiger Herr, ich glaube, Ihr werdet gebraucht.«
»Schlechte Neuigkeiten?« Diegan hob die
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