Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
besiegen.
Solchermaßen von schlichter Logik überzeugt, daß die Umstände ihn begünstigen mußten, sprang Diegan vor seinem Zelt aus dem Sattel, warf dem Stallburschen die Zügel zu und erteilte dem diensthabenden Pagen eine Reihe rascher Anordnungen. Gleich darauf erschien mit geweiteten Augen und voller Nervosität sein Kammerdiener, um ihm aus Wappenrock und Rüstung zu helfen. Ihm auf dem Fuße folgte sein Sekretär, der durch seinen Befehl aus dem Schlaf gerissen worden war.
»Ich will nicht gestört werden, und ich benötige dein Schreibbrett«, sagte Lord Diegan.
Ohne ein weiteres Wort zog er sich aus dem Regen in die klamme Düsternis seines Kommandostandes zurück.
Knarrend schaukelten die Laternen im Wind, der durch die Zeltbahnen pfiff, während sie ihren mühseligen Kampf gegen die Finsternis fochten. Wassertropfen plätscherten durch Säume, die längst nicht mehr dicht waren, in das Innere des Zeltes. Eine besonders große Lache verteilte sich über die Lagen seines Feldbettes. Diegan fand sich damit ab, in Pfützen schlafen zu müssen, rieb sich mit einer tinten- und rostverschmierten Hand über die Augen und ließ sich auf einen Klappstuhl fallen. Dann nahm er dem Schreiber mit den Storchenbeinen, der wie ein Hund neben ihm wartete, das Schreibbrett ab. »Hol dir dein Zeug morgen früh wieder ab.«
»Ja, Herr.« Der kleine Mann beeilte sich zu verschwinden und stolperte vor lauter Eile über seine großen Füße.
»Später«, bellte Diegan einen Diener an, der mit einem Handtuch neben seiner Kleidertruhe wartete. Schließlich öffnete er das Schreibbrett und zog Federn, Tinte und zwei saubere Bögen Pergament hervor.
Als Skannts Kopfjäger sich zu Befehl meldeten, hatte er die notwendigen Dokumente unterschrieben und mit seinem persönlichen Wappen versiegelt.
Zu dem sehnigen, wettergegerbten Hauptmann, der in Erwartung seiner Anweisungen das Zelt betrat, sagte er: »Außerhalb des Lagers, im Nordwesten, wirst du auf einige Zelte treffen, die von vier etarranischen Kundschaftern bewacht werden. Sie haben fünfundzwanzig Männer bei sich, alle Deserteure eines kleinen Scharmützels mit dem Feind, das sich weiter oben an der Küste zugetragen hat. Die Männer wurden rechtmäßig zum Tode verurteilt, und ich habe angeordnet, sie zu fesseln. Eure Arbeit sollte schnell und in aller Stille vonstatten gehen.«
Diegan erhob sich. Seine Hand blieb vollkommen ruhig, als er die offiziellen Dokumente weiterreichte, obgleich selbst er sich in der Nähe des Mannes, den er mit dieser Angelegenheit betraute, unbehaglich fühlte. Den Hauptmann umgab ein Miasma von abgestandenem Blut; ob tatsächlich oder nur eingebildet wußten wohl nur die wenigen zu sagen, die sich ihm weit genug zu nähern wagten, das zu beurteilen.
»Hier ist die offizielle Anklageschrift, und das ist der Exekutionsbefehl.« Schließlich fügte der Lordkommandant hinzu: »Sieh zu, daß du die feigen Hunde vom Rad des Schicksals entfernst. Danach verbrenn ihre Leichen! Wir brauchen kein Zeugnis eines Verhaltens, das die Moral unserer aufrechten Truppen zu untergraben droht.«
»Ath!« Die stählernen Schienen am Wams des Hauptmannes glänzten unheilvoll im Lampenschein, als er die zusammengerollten Pergamente hinter seinem Gürtel verstaute, ehe er einen Panzerhandschuh abstreifte, um die Schärfe seines Dolches zu prüfen. »Hätte mir denken können, daß es schmutzige Arbeit zu erledigen gibt, wenn wir zu dieser Stunde gerufen werden. Kriegen wir wenigstens ein Kopfgeld, wenn wir schon Euren lästigen Müll aufsammeln müssen?«
»Zehn Silberstücke pro Kopf«, bestätigte Diegan. »Zwei meiner Diener werden dich begleiten und mich informieren, wenn es vollbracht ist.«
Der Kopfjäger lachte heiser auf, als er seine Klinge wieder in die Scheide zurückschob. »Anwälte der bösen Tat?« Er blinzelte den Lordkommandanten fragend an, die vollen Lippen zu einem höhnischen Ausdruck verzogen. »Ihr solltet wissen, daß wir auf nichtsnutzige Zeugen, die unsere Arbeit überwachen, gut verzichten können.«
Kommentarlos winkte Diegan ihm zu, sich zurückzuziehen. Als die Zeltplane hinter dem weit ausschreitenden Hauptmann wieder zufiel, bellte er nach seinem Diener, auf daß dieser ihm zu seiner wohlverdienten Bequemlichkeit verhelfe.
Er war abgehärtet, pragmatisch und hatte allzu viele Jahre ehrgeiziger Stadtpolitik überlebt. Seine Träume würden nicht von den Schreien der Opfer heimgesucht werden, wenn Arithons heimtückische
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