Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
beeindrucken lassen.
»Bardenbescheidenheit«, grollte Dakar verhalten. Dann, lauter: »Und jetzt bewegt euch, beide. Ihr steht genau an der Stelle, die ich brauche, um mein magisches Muster auszuweiten.«
Caolle wich zur Seite, als stünde er direkt neben einer giftigen Schlange. Magie und Mysterien rangierten in seiner Beurteilung kurz unter billigen Tricks, doch er war gewiß klug genug, sich nicht mit einem Verrückten über Fragen der Ehre zu streiten.
»Dakar ist der Schule der Bruderschaft verhaftet«, versicherte ihm Arithon. »Jeder Zauber, den er über Leben oder Sein wirkt, muß auf freiwilliger Einwilligung basieren.«
»Aber gewiß doch!« schnaubte der Kriegerhauptmann wenig überzeugt, während er aus alter Gewohnheit aus dunklen Augen blinzelnd auf das Tal hinunterblickte, um sich einen Überblick über die Vorgehensweise des Heeres zu verschaffen, das nun den letzten Teil seines Marsches aufnahm. »So, sie sind also klug genug, ihre leichten Pferde nicht über die Felsen zu treiben. Pikeniere in Karrees, Bogenschützen in der Mitte. Langsam, aber umsichtig. Die Bachläufe werden ihren Aufstieg behindern, aber nicht für lange Zeit.« Der Kriegerhauptmann unterbrach sich, um den Hang mit finsterem Blick zu beäugen, auf dem Dakar langsam Banner und Helme umkreiste, den Kopf mit konzentriert gerunzelter Stirn tief herabgesenkt. »Und ich glaube nicht, daß die Soldaten dort drüben sich alle mit einem einfältigen Grinsen im Gesicht freiwillig verhexen lassen.«
Der Wahnsinnige Prophet hielt mitten im Schritt inne, doch war unter dem Bart kaum zu unterscheiden, ob seine gebleckten Zähne Ausdruck der Kränkung waren oder ein Lächeln andeuten sollten. »Nicht im Sinne des Wortes. Aber Lysaers Soldaten haben alle zugelassen, in die Irre geführt zu werden. Die Magie, die ich hier wirke, wird sie lediglich dazu verführen, genau das zu sehen, was sie hier zu finden glauben.«
»Einen Zauberer, einen gemeinen Mörder und Verführer unschuldiger Kinder«, fügte Arithon mit kummervoller Miene hinzu. »Sie werden erblicken, was mein Halbbruder sie erwarten ließ, und sie werden reagieren, wie sie es gelernt haben.«
»Und das, mein Prinz, bedeutet, daß du dich besser zurückziehst und dir die Augen verbindest, ehe es losgeht«, konterte Dakar.
Arithon antwortete nicht, sondern starrte weiter konzentriert auf das gewaltige Heer hinab. Der Wahnsinnige Prophet bedachte ihn mit einem scharfen Blick, ehe er, so besorgt, wie man es kaum von ihm erwarten mochte, zu dem Kriegerhauptmann herumwirbelte. »Caolle, um Eurer Liebe zu Rathain willen, bringt Euren Herrscher fort von hier.«
Die Sonne stieg noch weitere zwei Stunden, und der Nebel löste sich unter ihren warmen Strahlen, um den Blick auf einen Himmel von der dunstigen Farbe gebleichter Knochen freizugeben. Wie zum Hohn legte sich der Wind, bis die Banner des königlichen Heeres schlaff an ihren Pfosten hingen. Die umliegenden Hänge aber warfen jedes Geräusch zurück, und nach einer Weile schien sogar im Schnauben eines Pferdes, im Klirren der Kettenhemden oder dem Klimpern von Zaumzeug eine sonderbare Vertrautheit mitzuschwingen.
Die Pfützen waren getrocknet, doch der hartnäckige Schlamm machte noch immer jeden Schritt zu einer mühseligen Plage. Die schweißnassen Pferde fanden nur schwer Halt und verloren die Eisen von ihren durch die Feuchtigkeit aufgeweichten Hufen. Dankbar für das einzigartige Roß, das viel zu abgehärtet war zu lahmen, beugte sich Diegan über den wenig eleganten Nacken des Tieres, um einen Riemen zu spannen. Fluchend betrachtete er sodann die Rostflecken auf seiner schweißüberströmten Hand. Nach nur drei Tagen zeigte die polierte Rüstung durch die stete Feuchtigkeit bereits erste Verschleißerscheinungen. Wenn er auch kein Lebemann mehr war, der auf äußeren Schein bedacht sein mußte, so zürnte nun doch der Soldat angesichts der Verwahrlosung seiner Ausrüstung.
Neben ihm, eine strahlende Gestalt wie eine goldene Ikone in dem stählernen, goldumrandeten Brustharnisch, wandte ihm Lysaer die blauen Augen zu, in denen sich ein unheilvolles Funkeln zeigte. »Warum sorgst du dich um den Rost? Deine Rüstung wird heute abend so oder so poliert werden müssen, allein schon, um sie von den Blutflecken zu befreien.«
»Es ist mir egal, wie viele Schäferzelte unsere Patrouillen in den Höhenlagen gezählt haben. Diese Sippschaften verstehen es, sich wie der Wind von einem Ort zum anderen zu bewegen, und heute
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