Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
fügte er im stillen hinzu, für die Entehrung der gnädigen Frau Talith, seiner Schwester.
Dann holte er tief Luft und erhob die Stimme zu einem Schrei, und die Trompete seines Stabsoffiziers gab den Befehl zum Angriff durch die Linien weiter.
Der Prinz des Westens und sein persönlicher Leibwächter verzichteten auf ihren Platz in der vorrückenden Garde. Während handverlesene Männer aus der Truppe ausscherten, um gemeinsam mit ihnen ihren Aussichtspunkt auf einer Anhöhe aufzusuchen, kam Bewegung in das große, hochherrschaftliche Heer, das sich durch das Dier Kenton-Tal aufmachte, den Hügel einzunehmen und den Herrn der Schatten mit seinen Verbündeten vom Antlitz der Erde zu entfernen. Hinter ihnen, eine Gestalt von beeindruckender Pracht auf seinem goldmähnigen Schlachtroß, erhob Lysaer die geballte Faust. Dann warf er den Kopf zurück und schrie vor Glück und Befriedigung, als seine Gabe ihm antwortete. Gleich darauf öffnete er die Finger in ihrem Panzerhandschuh. Licht strömte aus ihnen hervor, und ein blendendweißer Feuerball stieg in weitem Bogen in den Himmel hinauf.
Die elementare Explosion setzte eine Kraft frei, die auf dem Zenit von fernem Donnergrollen begleitet wurde. Viele Wegstunden weit sichtbar würde dieses Signal die Hilfstruppen aus Jaelot und Alestron alarmieren, ihre Position auf der anderen Seite der Berge einzunehmen, die das Tal umschlossen. Der stählerne Ring, der Dier Kenton umfangen hielt, begann sich zu schließen und auf einen Boden vorzurücken, der für Fallgruben zu felsig und für Hinterhalte zu kahl war, um endlich die in die Enge getriebene Beute zu vernichten. Dieses Mal würde dem Lumpengesindel, das den Herrn der Schatten beschützen wollte, kein Fluchtweg offenbleiben.
Während der Aufmarsch des Heeres staubaufwirbelnd und lärmend durch die ganze Breite des Tales strömte, löste Lysaer seine verkrampften Finger von dem Fernrohr und überreichte es dem Mann, der unter seinen Kundschaftern über das beste Sehvermögen verfügte. »Halte Wache«, befahl er. »Wenn du ein Zeichen des Feindes entdeckst, dann rufe mich.«
Nicht umsonst hatte der Prinz viele Jahre während der Vorbereitungen zu Avenor den Umgang mit seiner Gabe geübt. Am Tal Quorin hatte Arithon sich durch Bogenschützen und Schatten verteidigen können. Lysaer bleckte die ebenmäßigen Zähne. Dieses Mal würde die Gerechtigkeit siegen, nun, da er die Kunstfertigkeit besaß, seine Gabe zu einem wirksamen Schutz gegen beide Waffen einzusetzen. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. Wenn notwendig, würde er die Bergrücken selbst in Flammen aufgehen lassen, die dort versteckten Sippschaften und Bogenschützen ausräuchern und seinen Truppen den Weg für ihren Vorstoß beleuchten, auf daß der Sieg der ihre wäre.
Verborgen an einem Hang in den Felsenriffen der Berge über dem Dier Kenton-Tal stand der Wahnsinnige Prophet hinter Arithon, die Hände kraftvoll auf die königlichen Schultern gepreßt, die nicht mehr zu zittern aufgehört hatten, seit Lysaers Signalblitz über den Himmel geschossen war.
»Ruhig«, murmelte er. »Bleib nur ruhig.« Dann, als mit fernem metallischen Glitzern die Leibwache Lysaers ihre Position hinter den letzten Kolonnen auf einem niedrigeren Hügel im Westen einnahm: »Um der Liebe Aths willen, sieh nicht hin.«
Arithon schenkte ihm ein gequältes Lächeln. Zusammengekauert, die Arme um die Knie geschlungen und die Augen von einer schwarzen Binde bedeckt, deren Knoten durch Magie versiegelt waren, war er den Vorgängen auf der Seite des Feindes gegenüber vollkommen blind. Dakar und sein Kriegerhauptmann mußten ihm als Augen dienen. Seit der verpfuschten Tienellesichtung an Bord der Khetienn hatte sich der Zauberbanner zweifellos das Recht erworben, ihm Dinge abzuverlangen, vor denen selbst die Zauberer der Bruderschaft zurückschrecken würden.
Die Zeit für Überlegungen, für Unsicherheiten, war vorüber und entzog sich jeglichem Bedauern. Gefangen in einem Muster der Vorsehungen, konnte der Prinz von Rathain nur hoffen, daß sein Einverständnis Dakar genug Einfluß verliehen hatte, einzugreifen, sollte er dem wahnsinnigen Ansturm des Fluches nicht länger gewachsen sein.
Für den Fall, daß dieser Zwang ihn überwältigte, lag in letzter Instanz sein schwarzes Schwert Alithiel offen bereit und wartete auf seinen Einsatz.
Der Gedanke erschreckte ihn bis tief in sein Herz, ließ seine Nerven vor Furcht flattern, daß die schaurige, klare,
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