Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
den Nordflügel der Truppen, den Keldmar s’Brydion, der Bruder des Herzogs von Alestron, in die Schlacht führte, zu erledigen.
Seit am Morgen das Signal zum Aufbruch erklungen war, drängten zähe Söldner in Formationen über Senken und aufgebrochenen Boden voran, zermürbt von unzähligen Hinterhalten, die Reihen Mann für Mann durch einzelne Bogenschützen der Sippschaften gelichtet. Diese erwarteten sie verborgen im Gebüsch, feuerten einen einzigen Pfeil ab und zogen sich sogleich ungesehen über das Geröll zurück. Des Herzogs Offiziere wurden so lange durch kleinere Verluste gepeinigt, bis selbst der erfahrenste, gleichmütigste Mann die Neigung verspürte, beim kleinsten Windhauch einen Pfeil in die Ginsterbüsche zu jagen. Dann dachten sie zurück an jene Zeit, in der die Erde gebebt und ferner Donner von einer kataklystischen Störung gekündet hatte, und sie verfluchten das Unbehagen, das an ihren Nerven zerrte. Während des Nachmittags kämpften und starben sie unter der prallen Sonne, mühten sich voran und nährten ihren Haß auf kahle, endlose Weiten, bedeckt von verbranntem Moos und harten Gräsern, durchbrochen nur von dem so unpassend scheinenden, samtenen Grün in den Senken, in denen Schafe geweidet hatten.
Bedrohlich ragte der kahle Felsen des Nordpasses zum Dier Kenton-Tal, den der stete Wind und die heftigen Stürme von jeglichem Strauchwerk befreit hatten, vor ihnen auf. Hier gab es keinerlei Deckung. Bei jedem Schritt der Männer löste sich brüchiger Schiefer unter ihren Stiefeln, und die tiefstehende Sonne füllte jede Einbuchtung im Fels mit Schatten, in denen sich Bogenschützen hätten verbergen können. Alestrons Soldaten begegneten der Herausforderung mit grimmiger Zuversicht, so unbeugsam in ihrer Disziplin wie die Landschaft feindselig war.
Zusammengerollt wie ein trockenes Blatt in einer Felsspalte nahe dem Gipfel, bewunderte Dakar ihre Standfestigkeit, als zehn Kompanien Pikeniere sich neu formatierten, um sich an den letzten Aufstieg zu wagen. Ihre geschlossene Front wich einer Keilformation mit fächerförmig vorausschreitenden Bogenschützen in Rüstung und kampferfahrenen Kundschaftern, deren Aufgabe es war, die vor ihnen liegenden Schluchten zu sichern.
Keldmar verabscheute die albernen Hornklänge. Seine Anordnungen erklangen in Form eines mächtigen Gebrülls, durchzogen von Flüchen und Obszönitäten aller Art. Trotz seines launischen Gebarens reagierte die Armee der s’Brydions mit der Präzision eines Uhrwerks. Die Stabsfeldwebel waren brutale Burschen mit einer tödlichen Leidenschaft für den Kampf, für die der Schlachtenlärm und das auf dem Feld vergossene Blut den wahren Sinn des Lebens darstellten.
Dakar blies die geröteten Wangen auf, bis er mit seinem aufgerichteten Barthaar einem Kugelfisch ähnelte. Er war keineswegs risikofreudig, und der Gedanke, als Krüppel zu enden, gefiel ihm ganz und gar nicht. Beim Saufen, beim Würfelspiel oder bei bezahlten Dirnen wäre ihm Keldmar s’Brydion ein angemessener Gegner gewesen. Auf einem Schlachtfeld hingegen war das Kräfteverhältnis so unausgewogen, daß nur ein Narr sich auf das Spiel einlassen konnte, dessen Chancen so ungleich verteilt waren, daß selbst die Furien des Schicksalsgebieters lachen würden, bis ihnen die Luft wegbliebe.
Der letzte Fehler seines Lebens, so dachte der Wahnsinnige Prophet im stillen. Die Machenschaften eines Wahnsinnigen hatten ihn hierher verschlagen, gemeinsam mit einer Gruppe bewaffneter Clankundschafter, deren Leben allein von seiner Geschicklichkeit abhing. Sein Meister aus der Bruderschaft hätte die Hände vor das Gesicht geschlagen und stöhnend seinen Unmut über ihre lächerliche Gutgläubigkeit kundgetan.
Ein Schlurfen auf felsigem Grund, eine rasche Losung für einen Kundschafter. Atemlos und erschöpft war der letzte Bogenschütze der Sippenmänner eingetroffen. Im Vorbeigehen bedachte er den Wahnsinnigen Propheten mit einem müden Kommentar: »Wurde Zeit, daß Ihr kommt. Wir hätten sie auf diesem Hang nicht länger aufhalten können. In den Felsspalten könnte sich nicht einmal ein verirrtes Lamm verbergen.«
Dakar verzog das Gesicht und sagte zu dem Clankrieger, der in Erwartung einer Botschaft, die er überbringen sollte, neben ihm kauerte: »Sag Arithon, ich brauche zwei Stunden.«
»Dann ist die Sonne bereits untergegangen«, entgegnete der Kundschafter, ohne seinen wölfischen Blick von der gewaltigen Streitmacht der Söldner abzuwenden, die den
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