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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Sein entsetzter Kamerad, der ihn an der Schulter packte und aufrütteln wollte, wurde zornig zurückgestoßen. »Mein Magen ist am Ende, nachdem er einen ganzen Monat nur mit Schiffszwieback gefüttert wurde. Eher ginge ich freiwillig nach Sithaer, als auch nur eine Birne hier zurückzulassen.«
    Ein anderer Mann drückte seinen Helm an sich und murmelte allerlei zärtliche Worte. Wieder ein anderer führte das Heft seines Dolches an seine Lippen, als tränke er Wein aus einer Flasche. Gut ein Viertel der mittleren Kompanie nutzte seine Waffen als Kissen und fiel sogleich schnarchend in tiefen Schlaf. Die wenigen blutdürstigen Männer, die sich danach sehnten, ihre Feinde aufzuschlitzen, stießen grausame Kampfschreie aus, zogen ihre Schwerter und hackten mit wilder Entschlossenheit auf die Felsen ein.
    Hin und her gestoßen inmitten des zunehmenden Chaos’, das über die besten Söldnertruppen Alestrons gekommen war, starrte Keldmar mit hochrotem Kopf fassungslos vor Zorn in den Nebel. »Habt ihr alle den Verstand verloren?«
    Die wenigen, die noch bei Sinnen waren, sahen nicht minder verblüfft als er zu, wie jegliche Disziplin zugrunde ging. Nur den geistig gefestigten, erfahrensten Söldnern gelang es, sich der Verlockung von Dakars Magie zu entziehen. Alle anderen aber vergaßen ihre Pflicht und fielen den verführerischen Visionen zum Opfer. Wie ein grober Riß in feinem Gewebe löste sich die Ordnung in fröhlichem Übermut auf. Speere fielen klirrend zu Boden. Männer jauchzten hemmungslos, überließen sich dem obszönen Rausch der Lust, rissen sich die Rüstung vom Leibe und stürzten sich bäuchlings auf kahle Felsen, als lägen sie bei ihren Liebsten. Der Bannerträger vertiefte sich in einen weinerlichen Dialog mit seiner Gürtelschnalle, während sich um ihn herum die vertrauenswürdigsten Offiziere eng aneinanderdrängten, ihre Schwerter unablässig in den steinigen Boden rammten und in großes Wehklagen über Schlangen im Gras ausbrachen.
    Keldmar verlor die Nerven, trat seinen Stabsoffizier in die Seite und erhielt zärtliches Liebesgeflüster zur Antwort. Einen anderen Mann stieß er mit der Stiefelspitze an und wurde ignoriert, woraufhin er sich in wüsten Beschimpfungen und üblen Drohungen erging.
    »Das hat alles keinen Sinn«, sagte ein vernarbter alter Söldner, der schon seit zwanzig Jahren mit der Truppe kämpfte. »Sie sind von einem Bann befallen. Wenn wir den Zauberer vernichten, werden sie sich wieder erholen.«
    Viel zu zornig, einem guten Vorschlag mit Lob zu begegnen, starrte Keldmar in die grünlichen Schwaden. Vielleicht hundert Männer waren nicht von der Magie betroffen, jene, denen es an Vorstellungsvermögen mangelte, und die, deren innigste Wünsche zu schwach oder zu schwunglos waren, ihnen die Schlinge der Verzauberung umzulegen. Manche verfluchten ihre unglückseligen Kameraden, andere versuchten, sie zu ermahnen. Ein pflichtbewußter Offizier hieb mit der Seite seines Schwertes auf die Schwerenöter ein, bis er selbst von einem stämmigen Pikenier niedergeschlagen wurde, der einen gewaltigen Schwall übelster Beschimpfungen hinausheulte und jammerte: »Wenn du dich weiter so närrisch anstellst, wirst du das Bierfaß noch umkippen!«
    Im nächsten Augenblick erschien der Kommandant der zweiten Division in der trüben, grünlichen Suppe. Sein Gesicht war vor Anstrengung gerötet, und Schweiß tropfte von den gedrehten Enden seines Schnurbartes. »Ath sei uns gnädig! Also hat dieser Wahnsinn auch Eure Truppe erfaßt. Wir sind vollständig gelähmt. Jeder Trottel in unseren Reihen, der sich nach einer Hure sehnt, scheint in einem Bann der Illusionen völlig den Verstand verloren zu haben.«
    Keldmar warf einem von vielen Kämpfen gezeichneten Soldaten, der nackt wie Ath ihn schuf über die Leiber seiner traumverlorenen Kameraden hinwegtanzte, einen bösartigen Blick zu. »Dafür wird jemand bezahlen! Ruf all deine Männer zusammen, die noch fähig sind, dich zu hören. Wir müssen weitergehen und den Zauberer, der für das hier verantwortlich ist, nach Sithaer schicken.«
    »Mit Vergnügen!« Brüllend stimmte der Kommandant in Keldmars Gebell ein, und gemeinsam befahlen sie allen Söldnern, die noch bei Verstand waren, sich zu sammeln.
    Schließlich nahm eine zusammengewürfelte Truppe von gerade noch fünfundsiebzig Männern den Vormarsch wieder auf. Zorn und der unbändige Wille, Vergeltung für die Schmach zu üben, die ihren Kameraden widerfahren war, trieb sie voran.

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