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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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verkommt.«
    »Ihr habt uns immer gesagt, es wäre der Haß, der uns am Leben erhält«, konterte der Kundschafter.
    »Einst habe ich das geglaubt.« Traurig erkannte er in dem Gesicht des jungen Mannes sein eigenes jüngeres Selbst. Caolle strich sich eine klebrige Haarsträhne aus dem Gesicht. »Seither habe ich gelernt, daß es bessere Wege gibt.« Doch besser als jeder andere wußte er: Wäre er nicht in den Dienst des Prinzen zu Rathain getreten, er hätte diese Lektion niemals begriffen.
    Der Kriegerhauptmann, der das Massaker am Tal Quorin überlebt, dessen Taktik geholfen hatte, die Reihen der Etarraner zu lichten, erkannte verbittert die unvergleichliche Ironie in der Tatsache, daß zu guter Letzt seine Hoffnungen und der letzte Wunsch eines feindlichen Lordkommandanten bis ins Detail übereinstimmten.
    Auch er fühlte, daß, sollte sein Herr und Gebieter zu Tode kommen, alles, wofür er in seinem Leben so hart gekämpft hatte, jegliche Bedeutung verlieren würde.
    Arithon s’Ffalenn war Herzog Jierets Vermächtnis. Ohne ihn gab es keine Hoffnung für die Clans im Norden. Rathains alte Adelsgeschlechter würden sich niemals aus ihrem Leben als gehetzte Flüchtlinge lösen und ihr Erbe einfordern können, wenn es keinen Prinzen gäbe, der unter dem Schutz der Bruderschaft zu Ithamon gekrönt würde.
    Zu dem Kundschafter, der noch immer stocksteif auf neue Befehle wartete, sagte der Kriegerhauptmann in scharfem Ton: »Wenn du nicht unter den verfluchten Feuerbällen dieses Parvenü von einem Prinzen zu Asche verbrennen willst, dann sollten wir uns hinter der Bergkette in Sicherheit bringen.«
    Der späte Nachmittag hüllte das Tal von Dier Kenton in orangerotes Licht. Vorzeitig bedeckte bläuliches Zwielicht das aufgebrochene Antlitz der Hänge und ihrer geborstenen Flanken stahlgrauen Schiefers. Der Hang bot nur brüchigen Halt, all die bekannten, sicheren Wege zu den Pässen waren vollständig verschwunden.
    Von fünf Kundschaftertrupps, ausgesandt einen passierbaren Weg zu suchen, kehrten zwei nicht mehr zurück. Zwei Kundschafter schleppten sich mühsam humpelnd zu ihrem Befehlshaber, und auch die anderen brachten nur erbärmlich schlechte Nachrichten mit sich.
    Mit kreidebleichen Gesichtern zügelten sie ihre Pferde vor Prinz Lysaer s’Ilessid. »Da ist kein Weg, Euer Hoheit. Heute kommen wir hier nicht mehr fort. Der Erdrutsch hat uns von allen Seiten eingeschlossen.«
    Sicher konnten geschickte Kletterer die Klippen mit Seilen erklimmen, doch gab es keine Möglichkeit, bewaffnete Männer und achtzig erschöpfte Pferde über die Steilhänge zu bewegen, um die Pässe zu suchen.
    Taub für den Widerhall stampfender Hufe und die leise gemurmelten Klagen aus den Reihen seiner Männer, betrachtete Lysaer s’Ilessid die kahlen Felswände. Gleich wie pflichtbewußt, wie entschlossen und tapfer sie auch gewesen waren, im Dier Kenton-Tal hatten sie doch eine totale Niederlage erleiden müssen. All die Macht seiner Gabe konnte ihnen keinen Weg öffnen, um mit der königlichen Kompanie zu den Truppen zu stoßen, die noch immer um den Sieg kämpften, die selbst noch in diesem Augenblick den Vormarsch vorantrieben, um Arithons Streitmacht zwischen den stählernen Zähnen eines Heeres einzukeilen, das es nun nicht mehr gab.
    Einhundert Mann seiner Kompanie und sechsundneunzig glückliche Überlebende, die nach dem Erdrutsch nach und nach eingetrudelt waren, waren alles, was ihm von seinen zahlreichen Soldaten diesseits der Bergkette geblieben war. Mühsam unterdrückte der Prinz den Drang, lauthals zu fluchen. Selbst tausend gesunde, kräftige Männer würden nicht reichen, ein so weitläufiges offenes Gelände zu sichern. Der Feind konnte sich bei Einbruch der Dunkelheit ungeschoren durch ihre Linien schleichen; Lysaer konnte mit seiner Gabe nicht überall gleichzeitig wirken, um die Wachen gegen die Pfeile verborgener Schützen abzuschirmen.
    Die Pferde waren erschöpft, die Männer todunglücklich. Die kahle Senke, in der sie sich versammelt hatten, bot ihnen weder frisches Wasser noch die notwendige Sicherheit, ein Lager zu errichten. Das wußte Lysaer ebenso sicher, wie er sich der besorgten Blicke seiner Offiziere bewußt war, die ihn unentwegt beobachteten, aber nicht wagten, ihn anzusprechen.
    Der Ausdruck in seinem Gesicht erinnerte an gehärteten Stahl, während er schweigend im Sattel saß und die geborstenen Berghänge betrachtete.
    Nie im Leben hätte er sich einen derartigen Untergang träumen

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