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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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die Reihen, und während die Männer zurückschraken und nach ihren Talismanen suchten, die sie für ein wenig Silber von Händlern erworben hatten, deren Geschäft geheimnisvolle Amulette und Kräuter waren, tat Keldmar einen forschen Schritt voran. Vor dem wild gestikulierenden Kundschafter der Vorhut blieb er stehen, zog sein Schwert und stieß es in die widerstandslose grüne Masse hinein.
    Nichts geschah. Er wiederholte die Bewegung, versuchte es dann mit einem weit geschwungenen Hieb, riß sich den linken Panzerhandschuh herunter und strich mit den bloßen Fingern über den Stahl der Klinge. Das Metall fühlte sich unter seiner Haut weder kalt noch heiß an.
    »Nur die Illusion eines Zauberers«, erklärte er den Stabsoffizieren, die ihm gefolgt waren, um seine Befehle entgegenzunehmen, verächtlich. »Narren, zu glauben, wir ließen uns ängstigen.« Er rief den Veteranen zu sich, der das Kommando über die Kundschafter der Vorhut führte. »Schick deine besten Leute rein. Sie sollen sich umsehen. Wenn sie zu uns zurückkehren und nichts entdeckt haben, dann werden wir wie geplant weitergehen.«
    Nervöse Unruhe begleitete die Wartezeit. Männer überprüften ihre Waffen, zogen die Riemen ihrer Helme nach oder ließen die Schultern kreisen, um die wunden Hautstellen, unter der Rüstung unerreichbar für ihre Finger, zu kratzen. Kein Geräusch außer dem fernen Ruf eines Wyverns störte die Stille; keine Bewegung außer dem Hitzeflimmern über den von der Sonne erwärmten Felsen war zu sehen. Von dem Gefühl geplagt, ein unfehlbares Ziel zu liefern, kontrollierten die Offiziere ihre Divisionen und beobachteten Keldmar, der sich mit zunehmender Ungeduld am Kinn kratzte, den Blick auf den grünen Nebel gerichtet, der sich vollkommen reglos vor ihnen erstreckte.
    Verwundert, aber unversehrt kehrten die Kundschafter zurück. »Gnädiger Herr, wir haben nichts gefunden. Nur noch mehr seltsamen Nebel und scharfkantiges Geröll. Und gerade vierhundert Meter vor uns scheint die Sonne wieder ungehindert.«
    »Nun gut«, sagte Keldmar zufrieden. Mit einem Gefühl des Widerwillens schritt er mürrisch voran, war für einen Augenblick noch als Silhouette zu erkennen, ehe nurmehr ein verschwommener Schatten in dem gallegrünen Nebel von ihm zu sehen war.
    »Schreitet aus, Soldaten!« rief der Hauptmann neben dem Standartenträger. Und den Soldaten, zu tapfer, ihren Kommandanten seinem Schicksal zu überlassen, blieb keine andere Wahl, als Mut zu fassen und ihm in den Nebel zu folgen.
    Der Dunst war frei von Geruch, und zu spüren war nur das klamme Gefühl hoher Luftfeuchtigkeit auf der Haut. Von der widerlichen Masse umfangen und in grauenhafte Farben getaucht, begannen die Männer zu fluchen oder sich bitter zu beklagen, um ihren schwindenden Mut zu stärken. Die geringe Sichtweite machte es den Offizieren unmöglich, die Seitenlinien im Auge zu behalten. Mochte auch dann und wann ein Soldat vor einem sonderbaren Flackern zurückschrecken, das durch ihre Augenwinkel zu spuken schien, sollte hier und dort unter den Schritten der Söldner ein funkelnder Schimmer von dem lockeren Gestein aufsteigen, so kamen die Männer doch bald zu dem Schluß, daß ihnen von dem unheimlichen Nebel keine Gefahr drohte. Langsam schlichen sich die ersten Scherze in ihre Gespräche, während ihre Gedanken in die stumpfsinnigen Gefilde der Langeweile sanken.
    Dakars hinterhältiges Gewirr magischer Siegel heftete sich an ihre Sehnsucht nach Gemahlinnen und Dirnen; nach einer Mahlzeit am Tresen und einem schäumenden Bier in der freundlichen Umgebung eines warmen Gastraumes; nach einer weichen Federmatratze und einem heißen Bad, gefolgt von friedlichem, ununterbrochenem Schlaf. Die Realität wich zurück, und die Tagträume traten an ihre Stelle. Bald sahen die Männer all das, was sie ersehnten, Gestalt geworden in verlockenden Visionen.
    Jemand schrie: »Bei allen Dämonen, dort ist meine Frau.« Mochte ihre lächelnde, dralle Schönheit strahlender sein als in der Realität, während sie winkend durch die grüne Luft zu treiben schien, so trug der Einfluß der Magie das seine dazu bei, daß der Mann sich nicht um so unbedeutende Details scherte. Statt dessen blieb er wie angewurzelt stehen und schleuderte seine Waffen von sich, um seine Geliebte zu küssen.
    Dieser ersten Lücke in den Reihen folgte eine weitere, als ein Mann mit glücklichem Grinsen auf die Knie fiel, sich Erde in den Mund stopfte und genußvoll stöhnend zu kauen begann.

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