Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
Heimat und jammerte, wie gerne er wieder zurück nach Italien gehen würde. Jana stießen immer noch das Hühnchen und das Chichagetränk sauer auf. Beim Gedanken an ihr eigenes Leben vor Antritt der unglücklichen Reise stiegen Tränen in ihre Augen. Sie wollte aber nicht, dass der Alte sie weinen sah. Also verabschiedete sie sich eilig und verließ fluchtartig die Kathedrale. Richard folgte ihr ebenso schnell.
Sie liefen weiter bis zum Markt, wo das bunte Treiben Janas dunkle Gedanken für einen kurzen Moment vertrieb. Sie kauften getrocknetes Fleisch und Quinoa, eine Art Reis, den die Einheimischen zu fast allen Eintöpfen reichten. Neugierig blieb Jana bei einem der Verkaufsstände stehen und betrachtete dunkle Bohnen, die sie nicht zuordnen konnte. Die glänzenden Früchte lagen in einem feinen Leinensack, der sich nicht auf dem Boden bei den anderen Bohnen befand, sondern auf gesonderten Tischen aufbewahrt wurde. Wie ein kostbares Schmuckstück oder eine Reliquie, der man besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen wollte.
»Was ist das?«, fragte Jana den Verkäufer, einen jungen Burschen mit geschäftstüchtigem Blick.
»Xocolat. Es sind die Bohnen der Götter.« Der junge Mann biss sich auf die Zunge und verbesserte sich: »Es sind Gottes Bohnen.«
Jana wollte wissen, was man damit tun konnte.
»Die Bohnen werden fein zerrieben und mit einem Holzquirl, dem Molinillo, schaumig gerührt. Gemeinsam mit Cacixanatl schmeckt es einfach göttlich.«
Der Mann grinste und streckte ihr ein paar der Bohnen entgegen. Jana roch daran, aber die Bohnen waren beinahe geruchlos.
»Sie entfalten erst in geriebenem Zustand ihr Aroma«, erklärte der Verkäufer.
»Und was ist Cacixanatl?«
»Die Spanier nennen die kleinen Schoten Vainilla. Es sind die Hülsen einer lianenartigen Kletterpflanze.«
Der Mann bückte sich und hob einen Tontopf vom Boden auf. Vorsichtig öffnete er den Deckel, und obwohl Jana eine Armesbreite von ihm entfernt stand, konnte sie das verführerisch süße Aroma der Schoten wahrnehmen.
Mit einem breiten Grinsen schwenkte der Mann den Tontopf vor Janas Nase. Am liebsten hätte sie hineingegriffen und eine Handvoll der Schoten herausgeholt. Nie zuvor hatte sie etwas derart Betörendes gerochen.
»Wie gewinnt man diese Schoten?« Sie überhörte Richards lautes Seufzen, denn sie wollte alles über die neue Frucht erfahren.
»Sie werden mit heißem Wasser behandelt und hinterher in luftdichte Behälter geschlossen, so lange, bis sie ihre grüne Farbe verlieren und braun werden. Aus dem Inneren der Schoten treten kleine Kristalle, die für den intensiven Geruch und den herrlichen Geschmack verantwortlich sind. Meine Frau liebt Cacixanatl im Kuchen in Verbindung mit Honig.«
Jana spürte, wie ihr das Wasser im Mund zusammenlief. Sie wollte unbedingt diese Schoten ausprobieren.
»Ihr habt doch nichts dagegen, wenn wir ein paar Schoten und Bohnen kaufen?«, fragte sie Richard.
»Nehmt, was Ihr wollt, aber beeilt Euch«, sagte er genervt. »Ich werde in der Zwischenzeit ein paar andere Dinge besorgen.«
Jana wusste genau, was er damit meinte. Auf der gegenüberliegenden Seite des Gemüsestandes hatte sie einen Händler gesehen, der Zuckerrohrbrand verkaufte.
Richard drückte ihr ein paar Münzen in die Hand und meinte: »Das wird wohl reichen.« Aber der junge Verkäufer schüttelte den Kopf: »Die Bohnen der Götter haben ihren Preis. Ich bekomme doppelt so viele Münzen.«
Während Jana schluckte, zuckte Richard bloß mit den Schultern und reichte dem Verkäufer die gewünschte Summe. Tom hätte sich ganz sicher geweigert, so viel Geld für Bohnen und Schoten auszugeben. Während der junge Mann die besten und schönsten Bohnen für Jana aus seinen Töpfen und Säcken suchte, ging Richard zum Zuckerrohrstand. Jana wünschte, er würde nur eine seiner Flaschen auffüllen. Aber sie wusste, dass er sich damit nicht begnügen würde.
Ihre Befürchtungen bestätigten sich, als sie die Stadt wieder verlassen und in der Nähe eines kleinen Flusses einen Platz zum Übernachten gefunden hatten. Richard nahm seinem Maultier die Satteltasche ab, die so schwer war, dass sich mindestens fünf volle Lederflaschen darin befinden mussten.
»Ihr trinkt zu viel von dem Zeug«, sagte Jana und biss sich sofort auf die Zunge. Sie hatte doch versprochen, dass sie ihn nicht mehr auf das Trinken ansprechen würde.
»Habt Ihr vor, Toms Rolle zu übernehmen?«, fragte Richard. Er klang resignierend, nicht
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