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Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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Einschlafen keine Angst davor, am nächsten Tag zu erwachen.

Barinas,
    April 1619
    Pater Ignazio war von der Schuld des Jesuiten überzeugt. Dennoch wollte er niemanden ohne Gerichtsverhandlung verurteilen. Da der Mord auf kirchlichem Boden stattgefunden hatte, brauchte er keinen weltlichen Richter. Stattdessen ersuchte er um den Beistand des Bischofs von Caracas. Es konnte Wochen dauern, bis der hohe Geistliche sich nach Barinas aufmachte. Den Leichnam des Ermordeten konnte man nicht mehr untersuchen. Tom lag längst unter der Erde. Ignazio hatte ihn feierlich bestatten lassen und selbst die Totenmesse für ihn gelesen. Toms Grab befand sich direkt neben der Klosterkapelle unter einem hohen Akazienbaum.
    Unterdessen saß der Jesuit in einer winzigen Kammer fest, während Bonifàcio sich frei im Kloster bewegen durfte, denn Ignazio hielt ihn für unschuldig. Ein Umstand, der Edmundo zur Weißglut brachte. Der Alte schimpfte und zeterte, versuchte Stimmung gegen Ignazio zu machen. Aber ohne Erfolg. Die Brüder standen hinter ihrem Pater und hielten seine Entscheidungen für richtig und weise.
    Gegen Ende der Woche hatte Edmundo einen Plan geschmiedet, wie der Jesuit, der ja eine wichtige Mission für den Papst erfüllen musste, freikommen konnte. Der Alte besorgte sich den Schlüssel zur Kammer des Gefangenen und ging damit in die Stadt. Er bezahlte einem Schmied eine unverschämt hohe Summe dafür, ein Duplikat des Schlüssels anzufertigen. Des Weiteren ließ er einen Ersatzschlüssel der Gartenpforte schmieden. Um sich selbst keine Probleme zu bescheren, schickte er Bonifàcio zum Schmied, um die Schlüssel abzuholen. Der Handwerker würde sich hinterher nur an das Gesicht des Schwachkopfes erinnern, den unauffälligen alten Mönch würde er vergessen haben.
    Als Bonifàcio dem Alten das Päckchen des Schmieds brachte, zog dieser ihn zur Seite und sagte: »Wenn du deinen Herrn retten willst, nimm diesen Schlüsselbund. Der kleine Schlüssel sperrt die Tür zur Kammer auf, der große die Gartenpforte. Sorge dafür, dass das Tor hinter ihm wieder zugesperrt wird. In der Zeit zwischen dem letzten Abend- und dem ersten Morgengebet schlafen alle Brüder, und dein Herr kann unbemerkt das Gebäude verlassen.«
    Bonifàcio nickte aufgeregt und schlich noch in derselben Nacht zur Kammer des Jesuiten.
    »Herr, ich bin gekommen, um Euch zu befreien«, flüsterte er durchs Schlüsselloch. Er steckte den Schlüssel ins Loch und versuchte verzweifelt, das Duplikat im Schloss zu drehen. Aber der Schlüssel war keine sehr präzise Nachbildung. Der Mechanismus wollte nicht aufschnappen.
    »Versuch es noch einmal«, bat der Jesuit auf der anderen Seite der Tür. »Zieh den Schlüssel ein Stück heraus, heb ihn an und dreh ihn noch einmal.«
    Das waren zu viele Anweisungen auf einmal. Bonifàcio rüttelte mit Gewalt am Schloss. Der Lärm, den er damit machte, drohte die Brüder zu wecken.
    »Beruhige dich, Bonifàcio«, sagte der Jesuit, bemüht, die eigene Ungeduld zu bezwingen. »Nimm den Schlüssel noch einmal aus dem Schlüsselloch und steck ihn erneut vorsichtig hinein. Nun dreh den Schlüssel behutsam vom Türstock weg.«
    Bonifàcio rüttelte und zerrte am Schlüssel, er wusste nicht, was »vom Türstock weg« heißen sollte.
    »Nicht rütteln!«, warnte der Jesuit. »Drehen! Sonst brichst du den Schlüssel noch ab.«
    »Ich kann nicht«, jammerte Bonifàcio weinerlich.
    »Doch, du kannst es!«, kam die bekräftigende Antwort aus der Kammer.
    Der Junge riss erneut am Schlüssel. Ein gefährliches Knacken war zu hören. Am liebsten hätte der Jesuit laut geschimpft, stattdessen sagte er ruhig: »Nicht aufgeben. Zieh den Schlüssel noch einmal heraus und versuch es erneut!«
    Als Bonifàcio erneut am Schlüssel riss, schnappte mit einem heftigen Ruck das Schloss auf. Der Junge klatschte vor Begeisterung in die Hände und jauchzte, vergessend, dass er sich still verhalten sollte.
    »Pst«, warnte der Jesuit und hielt ihm die verstümmelte Hand vor den Mund.
    »Ich bin schon leise«, flüsterte Bonifàcio. »Der alte Mönch hat mir den Schlüssel gegeben. Ich soll Euch befreien, damit Ihr das Dokument wieder zurückholen könnt.«
    »Das hast du gut gemacht«, sagte der Jesuit. »Sind unsere Pferde noch im Stall?«
    Bonifàcio nickte eifrig, und der Jesuit nahm von ihm den Schlüsselbund entgegen.
    »Du darfst auf keinen Fall zugeben, dass du mich befreit hast«, sagte der Jesuit ernst. »Ignazio ist ein gerechter Mann, aber er

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