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Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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ihres Vaters gewesen war, die Gefühle waren nicht mit dem Schmerz vergleichbar, den Conrads Verlust in ihr ausgelöst hatte. Sein Tod riss ein Loch in sie, das mit nichts aufzufüllen war. Würde der entstellte Mönch sie heute finden, würde sie ihm die Karte kampflos überreichen. Der Schatz hatte jede Bedeutung verloren.
    Langsam schritt Jana den Mittelgang der Kirche entlang. Ihre Schritte hallten leise im hohen Kirchenschiff wider. Vor dem Altar hing ein mächtiges, verhülltes Kreuz. Es war Fastenzeit, und Ostern stand unmittelbar vor der Tür. Jana hatte zuvor Huhn gegessen und Spuckebier getrunken. Sie war von ihrem Glauben ebenso weit abgerückt wie von ihren Zielen, die nicht mehr erreichbar waren.
    Vor dem Altar ging Jana in die Knie. Sie versuchte zu beten, aber ohne Erfolg. Es wollte ihr kein passendes Gebet in den Sinn kommen. Alle Worte waren wie weggeblasen. In ihr gab es nur Leere und sonst nichts.
    Richard stand neben ihr und beobachtete sie, aber Jana bemerkte seine Blicke nicht. Nach einer Weile richtete sie sich wieder auf, bekreuzigte sich, wie jeder Christ es in einer Kirche tat, und ging zu einem der Seitenaltäre, wo sich auf einem großen Kerzenhalter aus Eisen zahlreiche kleine Wachskerzen befanden. Neben dem Metallgestell standen eine Kiste mit frischen Kerzen und eine Metalldose mit einem Schlitz. Ein alter Priester in gebückter Haltung und einem völlig kahlen Kopf stand über die Dose gebeugt und versuchte das Schloss mit einem winzigen Schlüssel zu öffnen.
    »È impossibile!«, jammerte er auf Italienisch. »Das Ding will einfach nicht aufgehen.«
    »Braucht Ihr Hilfe?«, fragte Jana.
    Der Alte richtete sich auf und musterte sie aus milchig trüben Augen.
    »Ihr seid fremd in dieser Stadt«, stellte er fest.
    Jana antwortete nicht und deutete fragend auf den winzigen Schlüssel in seiner Hand.
    »Si, per favore«, sagte der Alte. »Meine alten, vom Rheuma verbogenen Finger können das Schloss nicht mehr öffnen.«
    Jana ergriff den Schlüssel, steckte ihn ins Schloss und öffnete es. Augenblicklich sprang der Mechanismus auf, und der Alte nickte zufrieden.
    »Die Gläubigen werfen Münzen in die Dose, um für die Kerzen zu bezahlen, die sie für ihre Verstorbenen anzünden. Ich zähle die Münzen regelmäßig und schaue, ob auch alle für ihre Lichter bezahlen. Wollt Ihr auch eine Kerze anzünden?«
    Jana war nicht in der Stimmung, mit dem neugierigen Alten zu plaudern. Sie nickte, bemerkte aber, dass sie kein Geld dabeihatte. In dem Moment reichte Richard ihr eine Münze, die Jana dankbar entgegennahm, dabei berührten sich ihre Finger.
    »Euer Mann kann wohl Eure Gedanken lesen«, krächzte der Alte und grinste. Dabei legte er einen fast zahnlosen Mund frei.
    Jana warf die Münze in die Dose, klirrend traf das Geldstück auf die anderen. Dann nahm sie eine Kerze, entzündete sie an einem der bereits brennenden Lichter und steckte die Kerze in die dafür vorgesehene Halterung. Sie verharrte schweigend vor dem Licht und bat Tom in Gedanken um Verzeihung, dass ihr kein Gebet einfallen wollte. Der Alte beobachtete sie die ganze Zeit über. Nach einer Weile nahm sie erneut eine Kerze und entzündete sie. Auch wenn Conrad über sie gelacht hätte, sie wollte, dass diese Kerze für ihn brannte, und sie wollte, dass sie nie wieder erlosch. Sie wünschte, sein Gesicht würde vor ihr auftauchen, aber auch das gelang ihr nicht. Die Erinnerung an ihn verblasste mit jedem Tag.
    Aus den Augenwinkeln sah Jana, dass Richard ebenfalls zwei Kerzen entzündete und auf den Metallhalter steckte. Ob beide Kerzen für Tom waren? Er warf eine weitere Münze in die Dose, und der Alte nickte wohlwollend.
    »Rechtschaffene Christen, wie Ihr es seid, kommen selten in die Kirche«, sagte er seufzend. »Wir bauen riesige Kirchen für die Heiden, trotzdem weigern sie sich, unseren Glauben anzunehmen. Dieses Land ist voller Ungläubiger. Seit über fünfzehn Jahren bin ich nun hier, und ich kann Euch versichern, dass kein Tag vergeht, an dem ich mich nicht zurück nach der alten Heimat sehne. Wenn mein Abt nicht darauf bestanden hätte, wäre ich nie aus Padua fortgegangen. Es ist eine wunderschöne Stadt, wo die Menschen zu Gott dem Allmächtigen, zu Jesus Christus, zur Heiligen Jungfrau Maria und allen Aposteln und Heiligen beten.«
    Für einen Moment fürchtete Jana, der Alte würde nun alle Heiligen beim Namen nennen, aber ihre Angst war unbegründet. Stattdessen schwärmte er von der Schönheit seiner

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