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Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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Grinsen: »Andere Reisende zahlen für ortskundige Führer, die die Landessprache beherrschen.«
    »Ihr könnt mich gerne bezahlen, ich habe nichts dagegen«, schlug Tica grinsend vor, dann ging sie zu den Frauen, um beim Kochen zu helfen. Als sie außer Hörweite war, fragte Conrad: »Warum hast du ihr nicht gesagt, dass wir anschließend weiter nach Zipaquirà wollen?«
    »Ich glaube, dass sie dann wissen will, was wir in ihrer Heimat suchen, und im Moment will ich es ihr nicht sagen. Ich habe Angst, dass sie uns dann nicht mehr ausstehen kann.«
    »Uns?«, fragte Conrad belustigt.
    »Mich«, gab Assante seufzend zu.

Auf dem Weg von Santiago
de León de Caracas nach Barinas,
    Februar 1619
    Die Maultiere, die Tom aufgetrieben hatte, waren tatsächlich alt und gebrechlich. Dennoch genoss Jana die Reise, die sie erstmals in ihrem Leben in Hosen zurücklegte. Rittlings auf einem Tier zu sitzen, war nicht nur komfortabler als seitlich im Damensitz, sondern auch weitaus sicherer. Jana musste sich nun nicht mehr krampfhaft am Tier festhalten und bei jeder Unebenheit Angst haben, aus dem Sattel zu fallen, und sie hatte deutlich weniger Rückenschmerzen. Außerdem war die dünne Baumwollhose luftiger als die dicken Röcke. Die Karte befand sich nun in einer seitlich eingenähten Tasche der Hose. Jana schwitzte weniger und fühlte sich im wahrsten Sinne des Wortes erleichtert. Die größte Veränderung jedoch war, dass sie von keinem Mann neugierig angestarrt oder anzüglich angegrinst wurde. Es war, als wäre sie Luft, und das war nach den letzten Wochen wohltuend.
    Entspannt saß sie auf dem Maultier und genoss die Landschaft. Sie ritten vorbei an zerklüfteten Felsen, üppig bewachsenen Steilhängen und sattgrünen Pflanzen, deren Namen sie nicht kannte. Vor ihnen ragten Berggipfel in den tiefblauen Himmel, die alles überstiegen, was Jana bis jetzt kennengelernt hatte. Im Vergleich zu der Gebirgskette, die sich vor ihnen aufbaute, waren selbst die Alpen niedrig. Über den Bergspitzen hingen am Morgen milchige Nebelwolken, die sich im Laufe des Tages auflösten und erst am Abend die Felsen wieder in weiche Dunstschleier hüllten. Zu Mittag war die Luft so klar und rein, dass Jana nicht genug davon bekommen konnte. Gierig füllte sie damit ihre Lungen. Alles hier war fremd, neu und aufregend. Die Gerüche der Pflanzen, die Schreie der Tiere und die graugelben Farbtöne der Felsen. Riesige Greifvögel segelten majestätisch über ihren Köpfen und stießen einem Wurfgeschoss gleich auf den Boden zu, sobald sie Beute erspäht hatten.
    Von Caracas aus waren Jana und ihre beiden Begleiter dem Ratschlag Pater Carlos’ folgend in den Nordwesten gezogen. Unbefestigte Wege führten sie stetig bergauf und genauso steil wieder bergab. Die Maultiere, die ohnehin langsam waren, krochen nun im Schneckentempo dahin, dass Jana zwischendurch den Eindruck hatte, sie wären schneller, würden sie selbst laufen. Sie wichen einem der roten Kreuze auf Sir Walter Raleighs Karte in weitem Bogen aus. Später stellte sich heraus, dass sie auf diese Weise den Anstieg über eine steile Felswand vermieden hatten.
    In Barquisimeto, einer kleinen Stadt, die früher Variquisimeto geheißen hatte, was so viel wie »Wasser in der Farbe von Asche« bedeutete, machten sie halt, um ihren Proviant neu aufzufüllen. Die kleine Ansiedlung von Häusern grenzte im Süden an die Anden, im Westen an ein Trockengebiet und im Osten an tropisch heiße Urwälder. Jana war von der opulenten Vielfalt überwältigt. Als ihr Weg sie ein Stück in den Süden führte, wechselte Janas Begeisterung in Entsetzen. An die Stadt grenzten riesige Zuckerrohrplantagen, auf denen schwarze Sklaven aus Afrika und Einheimische für die neuen Herrscher aus Europa schufteten. Halb verhungerte, nackte Menschen ernteten das reife Zuckerrohr. Das Bild stand in starkem Kontrast zu der Schönheit der Natur. Sogar Frauen und Kinder arbeiteten in der drückenden Hitze auf den Feldern. Aufseher mit Peitschen wachten darüber, dass niemand eine kurze Pause machte. Die menschenunwürdige Behandlung der Sklaven erinnerte Jana an die Erlebnisse auf der Santa Lucia. Die Bilder machten sie traurig und gingen ihr lange nicht aus dem Sinn. Auch noch Stunden nachdem sie die Felder längst hinter sich gelassen hatten, sah Jana immer noch die ausgemergelten, gefolterten Körper, die blutigen Striemen auf den gebeugten Rücken und die emotionslosen Gesichter der dunkelhäutigen Menschen vor sich.
    Erst als

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