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Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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der Nachbartische abstellte und zu ihm kam. Jetzt erst sah Jana, dass sie sehr jung war, höchstens fünfzehn Jahre alt. Jana selbst hatte in diesem Alter noch als Lehrling in der Apotheke ihres Onkels gelernt. Der Wirt klopfte dem Mädchen anzüglich auf den Po und zwickte sie in den Busen, so dass ein roter Fleck auf der Haut zurückblieb. Das Mädchen zuckte unter der Berührung zusammen.
    »Pralle Früchte«, sagte der Wirt stolz, und ehe Jana sich versah, saß das Mädchen auf ihrem Schoß und versuchte Jana zu küssen. Sie roch nach billigem Parfüm, Zwiebeln und Schweiß. Jana wurde übel. Was wurde nun von ihr erwartet? Sie drehte den Kopf weg und schob das Mädchen von ihrem Schoß. Doch sie ließ sich nicht abschütteln, fuhr Jana mit ihren Händen durchs Haar und stockte. Ihre mandelförmigen Augen musterten sie verwundert. Ob sie erkannt hatte, dass sie auf dem Schoß einer Frau saß?
    Erneut stieß Jana sie von sich und sagte entschieden: »Ich will das nicht!«
    Bevor der Wirt reagieren konnte, meldete sich Richard zu Wort.
    »Vergebt meinem jungen Freund. Er hat eine unglückliche Liebesgeschichte hinter sich«, sagte er entschuldigend. Jana verschluckte sich und musste husten. Richard klopfte ihr helfend auf den Rücken.
    »Gerade dann kann man Trost in den Armen einer Frau finden«, meinte der Wirt und sah nun Richard erwartungsvoll an. »Habt Ihr Interesse?«
    »Danke für das Angebot, aber wir sind völlig zufrieden, wenn wir bei Euch übernachten können. Wir haben eine lange Reise hinter uns und müssen morgen zeitig aus den Betten.« Richard lehnte das Angebot mit einer Selbstverständlichkeit ab, als hätte man ihm eben einen Korb Früchte angeboten.
    Der Wirt zuckte mit den Schultern: »Wie Ihr meint.« Er schickte das verblüffte Mädchen wieder weg. Jana fragte sich, ob sie stumm war, nicht reden durfte oder einfach nicht wollte. Dann richtete der Wirt seine Aufmerksamkeit wieder auf Jana: »Merkt Euch, mein junger Freund, man sollte einer Frau nicht zu lange nachweinen. Sie sind es nicht wert, außerdem gibt es so viele von ihnen, dass man täglich eine andere ausprobieren kann.«
    »Was redet Ihr da?«, fragte Jana verständnislos. Sie zitterte und starrte dem Mädchen nach, das froh zu sein schien, dass ihre Dienste nicht gefragt waren.
    »Es scheint Euch wirklich schlimm erwischt zu haben«, sagte der Wirt. Die gerunzelte Stirn sollte wohl Mitgefühl ausdrücken.
    Das war Jana nun wirklich zu viel, und sie erhob sich. Das Geschwätz des Wirtes ging ihr auf die Nerven, außerdem hatte sie Angst, der Mann könnte ihr erneut eine Frau auf den Schoß setzen.
    »Ich bin müde«, sagte sie gähnend und entschuldigte sich. Sie hätte wie Tom gleich nach dem Essen gehen sollen. Zu ihrer großen Überraschung stand auch Richard vom Tisch auf und folgte ihr. Auch er wollte dem Wirt nicht länger zuhören. Offensichtlich beleidigt, stand der Mann auf und ging zum Nebentisch, wo Männer aus der Gegend saßen. Er setzte sich zu ihnen.
    Rasch stieg Jana die schmale Treppe in den ersten Stock hinauf. Hier war die Luft noch stickiger als unten. Der Qualm der Küche sammelte sich unter den dicken Deckenbalken. Vor der Schlafkammer hatte Richard Jana eingeholt.
    »Die Geschichte scheint Euch zugesetzt zu haben«, sagte er und schnitt eine Grimasse.
    »Ja, es entsetzt mich, dass dieser Mensch mir die Dienste einer Hure anbieten wollte, die von dem Geld, das er mit ihr verdient, wahrscheinlich keine Kupfermünze sieht.«
    »Das entsetzt Euch?«, fragte Richard mit gespielter Überraschung. »Ihr reist doch nun als Mann. Solche Angebote sind völlig normal.«
    »Das sind sie nicht«, fauchte Jana ungehalten und drückte die Tür zur Schlafkammer eine Spur zu heftig auf. Tom, der bereits tief und fest schlief, grunzte unruhig. Sofort bemühte sich Jana, leise zu sein.
    Als sie sich auf dem nicht mehr ganz sauberen Stroh, in dem es von kleinen Insekten nur so wimmelte, ausstreckte, dachte sie über Richards Worte nach. Jana wusste genau, dass er recht hatte. Situationen wie heute Abend kamen öfter vor, als sie wahrhaben wollte. Wäre sie auf Tobago geblieben, hätte ihr über kurz oder lang ein ähnliches Schicksal gewunken wie dem armen Mädchen, das für den Wirt arbeiten musste. Manchmal verfluchte Jana die Tatsache, eine Frau zu sein. Aber auch die Rolle als Mann kam ihr nach dem heutigen Abend nicht wirklich erstrebenswert vor.
    An einem sonnigen, klaren Morgen Ende März kamen sie endlich in Barinas an.

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