Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
Tages werde ich das Rätsel lösen und dir eine Erklärung liefern können.«
»Davon bin ich überzeugt!«
Tica starrte immer noch auf das tote Tier. Sie hatte dem Gespräch der beiden Männer aufmerksam zugehört.
»Habt Ihr in Eurer Heimat auch tote Menschen aufgeschnitten und untersucht?«, fragte sie tonlos.
Conrad wischte sein Messer mit einem Palmblatt sauber und antwortete: »Ja, das habe ich.«
Entrüstet machte Tica einen Schritt zurück und verzog angeekelt das Gesicht.
»Als Arzt muss ich wissen, wie es im Inneren des menschlichen Körpers aussieht«, erklärte Conrad gelassen. Es war nicht das erste Mal, dass Menschen entsetzt reagierten, wenn er davon erzählte, dass er Leichen sezierte.
»Wie soll ich wissen, ob einem Patienten die Leber, der Magen oder die Galle Probleme macht, wenn ich keine Ahnung habe, was sich wo befindet und wie das Organ funktioniert?«
Tica entspannte sich wieder ein wenig, aber das Entsetzen stand immer noch in ihrem Gesicht.
In dem Moment kam eine der jungen Frauen und nahm Conrad den Affen ab. Sie störte sich nicht daran, dass er ihn untersucht hatte, doch nun brauchte sie das Tier, um es fürs Abendessen zuzubereiten.
Eigentlich hätte Tica ihr dabei helfen sollen. Aber die junge Frau folgte Conrad und Assante zum Wasser, wo Conrad seine Hände gründlich wusch. Sie setzte sich zu ihnen.
»Ich habe gesehen, dass Waio Euch einen Topf voll Gift mitgegeben hat. Was habt Ihr damit vor?«, fragte Tica neugierig.
»Nicht nur Pfeilgift. Ich habe auch Katzenkralle, stärkende Tinkturen, wundheilende Salben und ein Wurmkraut dabei, das bei Wurmbefall helfen soll. Das Pfeilgift will ich an Tieren ausprobieren und auf diesem Weg mehr über die Wirkung erfahren«, erklärte Conrad. Wieder tauchte ein Glitzern in seinen Augen auf. Die Vorstellung, sich mit der Wirkung der Pflanzenmischung eingehend zu beschäftigen, gefiel ihm.
»Ich werde Experimente mit Fröschen und anderen kleinen Tieren durchführen. Aber dazu brauche ich Zeit und Muße, und beides habe ich im Moment nicht, denn ich will rasch weiterziehen, um rechtzeitig nach Barinas zu gelangen.«
»Rechtzeitig wofür?«, fragte Tica.
»Ich hoffe, dass ich dort meine Verlobte wiederfinde«, sagte er ernst. Er wusste, wie unsinnig sein Vorhaben klang. Wie sollte man in einem derart großen, wilden und fremden Land eine einzelne Person wiederfinden? Aber er klammerte sich an die Hoffnung und wollte nicht dem geringsten Zweifel die Chance geben, sich in seinen Gedanken festzusetzen. Wenn Jana nach dem Schatz suchte, und davon ging er aus, würde sie nach Barinas gehen.
Tica hatte nicht vor, Conrads Hoffnungen zu schmälern. Sie verfolgte ihr eigenes Ziel und sagte ohne Umschweife: »Ich würde gerne mit Euch kommen.«
»Assante und ich haben mit der Frage gerechnet«, sagte Conrad, ohne sie dabei anzusehen. Er schüttelte die Wassertropfen von seinen Händen und machte Assante nass, doch der bemerkte die kühlen Spritzer gar nicht. Seine Aufmerksamkeit war ausschließlich auf Tica gerichtet.
»Ihr habt damit gerechnet?«, fragte sie erstaunt.
»Ihr sagtet, dass Ihr zurück in Eure Heimat wollt.«
»Ja, ich will in meine Heimat, nach Zipaquirà. Der Weg führt über Barinas. Werdet Ihr mich mitnehmen?«
Bevor Conrad antworten konnte, sagte Assante: »Wir haben nichts dagegen, wenn Ihr mit uns kommt.«
Conrad öffnete den Mund, um Tica zu sagen, dass auch sie weiter nach Zipaquirà wollten, schloss ihn aber wieder, als er Assantes warnenden Gesichtsausdruck sah.
»Ihr werdet Eure Entscheidung nicht bereuen«, sagte Tica rasch. »Ich kenne die Wege und die Tücken der Berge. So mancher Reisende hat sein Leben in einer der engen Schluchten oder einem der steilen Hänge gelassen. Wir können bis nach San Fernando im Boot und dann weiter bis nach Barinas reisen. Dort sollten wir Lamas mieten, das sind die Lastentiere der Anden. Mit ihnen werden wir bequem über die Bergkette weiterziehen.«
»Was ist ein Lama?«
»Tiere, auf denen man gut reiten kann. Sie sind zwar kleiner und langsamer, dafür widerstandsfähiger als Eure Pferde. Aus ihrem Fell machen wir Wolle.«
»Ihr wollt auf Schafen reiten?«, fragte Conrad.
»Ich weiß nicht, was ein Schaf ist«, sagte Tica.
Conrad wischte die letzten Wassertropfen an seiner Hose ab und fuhr sich mit beiden Händen durch die blonden Haare.
»Nun gut, wenn unsere Reiseführerin vorschlägt, auf Schafen zu reiten, dann werden wir es tun.« Er verzog das Gesicht zu einem
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