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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Sonne. In seiner linken Hand hielt er eine hölzerne Bettelschale. Seine Rechte umklammerte einen langen Holzstab, an dessen oberem Ende ein Schild befestigt war, worauf stand: Hab acht! Hab acht? Für einen seltsamen Moment, so hatte es den Anschein, strahlte das Schild selbst eine Drohung gegen Covenant aus. Gefahren ballten sich darum zusammen, um sich ihm zu nähern, Gräßlichkeiten trieben durch die Luft auf ihn zu, kreischten wie Aasgeier. Und mitten darunter, ihren Blick durch das Krächzen auf ihn geheftet, befanden sich zwei Augen – zwei Augen, die Reißzähnen glichen, faulig und tödlich. Sie betrachteten ihn mit starrem Blick voller Kälte und begieriger Bosheit, nachhaltig auf ihn fixiert, als sei er und nur er der Kadaver, wonach sie verlangten. Sie troffen von Bösartigkeit wie von Gift. Für die Dauer dieses Moments taumelte er in den Klauen einer unerklärlichen Furcht. Hab acht! Aber es war nur ein Schild, nur ein verblichener Pappdeckel an einem hölzernen Stab. Es schauderte Covenant, und die Luft ringsum erfuhr eine Läuterung. »Sie sollen's lesen«, wiederholte der Junge.
    »Nicht anrühren!« sagte er dorthin, wo er den Griff an seinem Ärmel spürte. »Ich bin ein Aussätziger.« Aber als er sich umschaute, war der Junge verschwunden.

2
     

›Man kann nicht hoffen‹
     
     
    In seiner Verwirrung ließ er den Blick rasch über die ganze Straße wandern, aber der Junge war spurlos entschwunden. Dann, als er sich wieder nach dem Bettler umsah, geriet die Tür mit der blattgoldenen Aufschrift in sein Blickfeld: Bell Telephone Company . Dieser Anblick durchzuckte ihn mit plötzlicher Furcht, die ihn von allen Ablenkungen abbrachte. Angekommen ... Hier war sein Ziel; er war persönlich gekommen, um hier sein Menschenrecht darauf zu beanspruchen, seine Rechnungen persönlich bezahlen zu können. Aber einmal angenommen ... Er gab sich einen Ruck. Er war ein Leprakranker; er konnte sich keine Annahmen leisten. Unbewußt schob er das Stück Papier in seine Tasche. Mit grimmiger Entschlossenheit unterzog er sich einer VBG. Dann riß er sich zusammen und ging auf die Tür zu.
    Ein Mann kam aus der Tür geeilt und rempelte ihn fast an, dann erkannte er ihn und wich zurück, das Gesicht aus urplötzlicher Besorgnis grau. Der Schreck brach Covenants Antriebskraft, und beinahe hätte er laut aufgebrüllt. Lepra! Ausgestoßener! Unrein! Erneut verharrte er, gewährte sich eine kurze Verschnaufpause. Der Mann war bei der Scheidung Joans Rechtsanwalt gewesen – ein untersetztes, fleischiges Individuum, voll von jener Sorte Jovialität, für die besonders Anwälte und Geistliche berüchtigt waren. Covenant benötigte diese Verschnaufpause, um sich vom Entsetzen im Blick des Rechtsanwalts zu erholen. Wider Willen empfand er Scham dafür, die Ursache eines solchen Entsetzens zu sein. Einen Moment lang vermachte er sich nicht auf den Anlaß zu besinnen, warum er den Ort aufgesucht hatte. Aber fast unverzüglich begann er innerlich zu schäumen. Zorn und Scham waren in seinem Innern untrennbar miteinander verschmolzen. Ich werde mir das nicht gefallen lassen , tobte er innerlich. Zur Hölle! Zu so etwas haben sie kein Recht. Doch es wollte ihm nicht so leicht gelingen, die Miene des Anwalts aus seinen Gedanken zu drängen. Dieser Abscheu war eine vollendete Tatsache, so wie die Lepra selbst – immun gegen alle Fragen von Recht oder Gerechtigkeit. Und vor allem durfte ein Leprakranker niemals die letale Realität der Fakten vergessen.
    Während Covenant so verharrte, kam ihm der Einfall, ein Gedicht zu schreiben.
     
    »Das sind die fahlen Tode,
    Die Menschen ihr Leben heißen:
    Wider alle Düfte von Grünen und Gedeihen
    Durchdünstet den Atem des Grabes Moder.
    Leiber zucken wie Marionetten im Sterben,
    Und die Hölle schreitet mit Gelächter ...«
     
    Gelächter – ja, hier lag eine echte Erkenntnis. Höllenfeuer. Habe ich in jener kurzen Zeitspanne für ein ganzes Leben gelacht? Er hatte das Gefühl, sich damit eine wichtige Frage zu stellen. Als sein Roman angenommen worden war, hatte er gelacht; er lachte über die Schatten von Tiefsinn und stummen Gedanken, die sich auf Rogers Gesicht wie Meereswellen kräuselten; er lachte über das Endprodukt seiner Arbeit, das fertige Buch; er lachte über dessen Beständigkeit in den Bestsellerlisten. Tausende von kleinen und großen Angelegenheiten hatten ihn mit Vergnügen erfüllt. Als Joan ihn fragte, was er denn dauernd so lustig fände, wußte er keine

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