Der Fluch des Volkstribuns
machte mich auf den Rückweg in die Stadt. Unterwegs dachte ich, daß diese außergewöhnliche Ermittlung mich mit einigen seltsamen Menschen in Kontakt brachte. Im Verlauf eines einzigen Tages hatte ich einen Priester syrischer Gottheiten, einen Scharlatan mit einem goldenen Ei und jetzt einen stolzen Gelehrten, Philosophen und Freund Ciceros befragt, der sich nicht zu schade war, hin und wieder einen kleinen Zauber, Talisman oder dergleichen an gutgläubige Kunden zu verkaufen. Rom ist eine Stadt von unglaublicher Vielfalt. Kein Wunder, daß ich es immer gehaßt habe, sie zu verlassen.
Am Abend erörterte ich meine Entdeckungen mit Julia, während sie mir die Kleider und Accessoires vorführte, die sie für den Empfang in der ägyptischen Botschaft erworben hatte.
»Ich finde, Eschmoun klingt am vielversprechendsten«, sagte sie. »Was hältst du von diesen Ohrringen?« Sie hielt sie an ihre zarten Ohrläppchen.
»Reizend«, sagte ich, während ein plötzlicher Schmerz durch meinen Schädel zuckte. »Smaragde passen gut zu deinen Augen.
Warum Eschmoun? Der Mann ist bloß ein Schwindler.«
»Deswegen verdächtige ich ihn ja. Er hat dich zu schnell davon überzeugt, daß er nur ein billiger Betrüger ist. Das heißt, er hat tiefere Geheimnisse zu verbergen. Was ist mit diesen grünen Perlen?«
»Die passen gut zu den Smaragden. Nein, ich weiß nicht, was ich von Ariston halten soll.«
»Ciceros Freund? Der hat doch einen ganz offenen und kooperativen Eindruck gemacht«, entgegnete Julia.
»Das hat nicht viel zu bedeuten«, meinte ich. »Jeder Gauner, der etwas von seinem Gewerbe versteht, weiß, wie man einen offenen und kooperativen Eindruck erweckt.«
»Aber du bildest dir doch etwas darauf ein, dieses Täuschungsmanöver durchschaut zu haben«, bemerkte sie.
»Diese Stola ist halb aus Seide. Meinst du, ich soll sie tragen?«
Ich durfte gar nicht daran denken, was das alles gekostet hatte. Halb aus Seide!
»Unbedingt. Nicht das, was er gesagt hat, hat meinen Argwohn geweckt, sondern das, was er nicht gesagt hat.«
»Wie subtil. Sprich weiter«, sagte Julia, während sie sich in einem polierten Spiegel aus Silber bewunderte. Den Spiegel hatte ich ebenfalls noch nie zuvor gesehen.
»Er stand auf Scaurus' Vertreibungsliste, doch er ist noch immer in Rom. Nun ja, zumindest vor den Toren der Stadt, aber du weißt, was ich meine. Elagabal hat praktisch zugegeben, daß er sich seinen Status durch Bestechung gesichert hat und bereit wäre, diesen Tribut auch mir zu entrichten. Genau wie Eschmoun.«
»Und hast du Ariston danach gefragt?«
»So etwas fragt man einen Bürger nicht, es sei denn vor Gericht oder mit der Autorität zumindest eines als Judex eingesetzten Praetors. Nein, ich mußte ein wenig umständlicher vorgehen.«
»Bist du sicher, daß er ein Bürger ist?« fragte sie und versuchte dabei, ihr Haar hochzustecken.
»Die Cumaer genießen mindestens seit Marius' Zeiten die vollen Bürgerrechte, vielleicht auch schon länger«, belehrte ich sie. »Wenn er wirklich Grieche ist, muß er einer der letzten noch lebenden cumaeischen Griechen sein. Der Ort wurde schon vor Jahrhunderten von den Kampaniern erobert.«
»Man hört so selten von Cumae, es sei denn im Zusammenhang mit der Sibylle«, sagte Julia. »Jeder kennt die Sibylle von Cumae. Na ja, wir wissen ohnehin, daß Scaurus nachsichtig mit angeklagten Bürgern war.«
»Ich bin mir aber sicher, daß er saftige Zahlungen von ihnen verlangt hat«, sagte ich. »Und genau das bereitet mir Kopfzerbrechen. Wir haben hier einen angesehenen, aber armen Gelehrten, der gezwungen ist, billigen Zauber zu verkaufen und ärmlich in einem bescheidenen Haus vor den Toren der Stadt zu leben. Womit hat er Scaurus bestochen?«
Das riß Julia schließlich doch aus ihren Vorbereitungen. »Das ist eine gute Frage. Vielleicht hat er sich durch das Bestechungsgeld ruiniert?«
»Das wäre eine Möglichkeit«, räumte ich ein, »doch es hörte sich so an, als würde er dort schon länger als drei Jahre wohnen.
Ich muß Cicero danach fragen.«
»Tu das«, ermutigte sie mich. »Meinst du, Cicero wird morgen auch in der Botschaft sein?«
VIII
»Ist mein Haar so in Ordnung?« fragte Julia.
»Du siehst entzückend aus, meine Liebe«, versicherte ich ihr.
Genau genommen sah sie mehr als entzückend aus, als wir unter bewundernden Blicken in unserer gemieteten Sänfte, deren Seitenvorhänge mit Rücksicht auf die Bewunderer hochgerollt waren, durch die Straßen
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