Der Fluch des Volkstribuns
Lisas beobachtete uns besorgt, aber auch mit einer Art genüßlicher Erwartung. Eine echte Katastrophe wäre die absolute Krönung seiner Party gewesen.
»Senatoren«, sagte Pompeius, »ich habe soeben eine Nachricht von größter Wichtigkeit erhalten. Der Volkstribun Gaius Ateius Capito ist ermordet aufgefunden worden.«
»Hah!« sagte ein verdrießlicher alter Senator namens Aurunculeius Cotta. »Das geschieht dem Scheißkerl recht!«
Er war ein bekannter Anhänger der aristokratischen Partei.
Ein zustimmendes Murmeln wurde laut.
»Besser hätte ich meine Gefühle auch nicht ausdrücken können«, bemerkte Pompeius trocken. »Doch der Mann war Tribun, und das gemeine Volk steigert sich in einen Zustand der Raserei. Sie versammeln sich auf dem Forum, bereit, die Stadt nieder zu brennen. Wir müssen sofort dorthin, sonst gibt es einen Aufstand, wie Rom ihn seit einer Generation nicht mehr erlebt hat.«
Ich ging zu Julia. »Es droht ein Aufstand. Versuche nicht, heute nacht noch nach Hause zu kommen. Bleibe hier oder bei Freunden im Trans-Tiber-Distrikt. Hermes!«
»Hier, Dominus!« So förmlich war er nur, wenn er wußte, daß die Lage ernst war.
»Hast du deinen Stock?«
»Hier.« Er tätschelte die ziemlich unanständige Ausbuchtung an der Vorderseite seiner Tunika. »Ich halte dir den Rücken frei.«
»Nein, du bleibst bei Julia. Ich möchte, daß sie...«
»Nimm ihn mit«, drängte Julia. »Ich werde zu Großmutters Sommerhaus gehen, es ist nur ein paar Schritte von hier.« »Das Haus hatte ich ganz vergessen«, sagte ich. »Ja, das ist gut. Ich werde Lisas bitten, dir eine Eskorte zu stellen.« Selbst wenn der Tumult sich über die Grenzen der Stadt hinaus ausbreiten sollte, würde kein Mob es je wagen, Aurelias Besitz anzugreifen.
»Du übertreibst die Gefahr«, sagte sie.
»Keineswegs. Ein Tribun ist ermordet worden. Das ist seit fast dreißig Jahren nicht mehr passiert, und beim letzten Mal hat der Pöbel drei Tage und drei Nächte getobt.«
»Und ich dachte, dein Leben würde nach deiner Rückkehr aus Gallien ein wenig ruhiger werden.« Wie die anderen Ehefrauen machte sie keinerlei Anstalten, mich zu umarmen oder zu küssen. Eine solche öffentliche Zuneigungsbekundung wäre für eine Frau ihrer Herkunft undenkbar gewesen. Manchmal denke ich, wir übertreiben das mit der Gravitas.
»Aber gewiß«, sagte Lisas, als ich mit ihm sprach. »Ich habe meine Soldaten bereits alarmiert. Durch die Tore kann niemand eindringen, doch ich werde meinen Gästen selbstverständlich auch zu jedem Ort diesseits des Flusses eine Eskorte stellen.
Und natürlich kann die Dame auch gerne hier bleiben, wenn sie möchte.«
»Ich bin dir überaus dankbar«, versicherte ich ihm. »Das werde ich dir nicht vergessen.«
Die Wachen der Botschaft setzten sich aus hartgesottenen Makedoniern zusammen und hatten keinen einzigen Ägypter in ihren Reihen.
»Liktoren nach vorn!« rief Pompeius, als wir uns im Hof versammelt hatten. Mit den konsularischen und den praetorianischen Liktoren, die in Zweierreihen Aufstellung genommen hatten, bildeten wir eine veritable Prozession.
»Und marsch!« rief Pompeius, und wir setzten uns in Bewegung, Pompeius vorneweg, Milo hinter ihm, die anderen Praetoren hinter Milo, gefolgt von uns geringeren Senatoren. Hinter uns marschierte eine ansehnliche Streitmacht von Leibwächtern, hauptsächlich Ludustrainierte Sklaven wie Hermes, die zwar keine Waffen trugen, jedoch geschickt im Umgang mit Fäusten und Knüppeln waren. Ich war mir nur zu bewußt, daß dies kein großer Schutz gegen den Angriff eines wütenden Mobs war.
Aber ich wußte auch, daß auf dem Forum Milos Männer zu uns stoßen würden, außerdem Pompeius' zahlreiche Klienten und die persönlichen Anhänger anderer wichtiger Männer, die den Pöbel gemeinsam vielleicht lange genug in Schach halten konnten und unsere Flucht deckten, wenn es zum Schlimmsten kam.
Wir gingen über die Brücke und erreichten das Stadttor, wo ein Wächter salutierte. Pompeius blieb kurz stehen.
»Könnt ihr irgend etwas sehen?« rief er zu den Männern auf einem der Türme.
»Keine Brände, Konsul«, erhielt er zur Antwort.
»Gut. Dann hat es noch nicht richtig angefangen.« Er führte uns auf einem Umweg vorbei am Viehmarkt und dem im Dunkeln gespenstisch daliegenden Bollwerk des Circus Maximus und weiter am Fuß des Capitolin entlang Richtung Basilica Julia. Der Standort war gut gewählt, denn einerseits bot er einen imposanten Blick über das
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