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Der Fluch des Volkstribuns

Der Fluch des Volkstribuns

Titel: Der Fluch des Volkstribuns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Führe mich herum.«
    Also führte ich sie durch das Labyrinth von Räumen; das Haus war gedrängt voll mit Gästen, Unterhaltungskünstlern und Dienern, die Tische beladen mit Köstlichkeiten. Lisas hielt nichts von förmlichen Abendgesellschaften: Er ließ die Leute nach Herzenslust herum laufen, und es gab reichlich Ablenkung, wo immer man sich auch aufhielt. In den zahlreichen Teichen räkelten sich nackte Nymphen. Sie sahen zumindest aus wie Nymphen, oder zumindest so ähnlich. Ich zeigte Julia den berüchtigten Krokodilteich voller häßlicher, träger Reptilien, über dem eine Marmorstatue des krokodilköpfigen Gottes Sobek thronte. In diesem Becken räkelten sich keine Nymphen, weder nackt noch sonstwie. Die Römer drohten ihren Sklaven immer damit, daß sie sie bei einem Fluchtversuch an Lisas verkaufen würden, damit er sie an seine Krokodile verfüttern könne. Ich bezweifle, daß das je geschehen ist, aber ich kann es nicht völlig ausschließen. Lisas war ein Mann mit dezidiert seltsamen Vorlieben.
    »Was für ein Monster!« rief Julia und zeigte auf ein gut vier Meter langes Exemplar, das schläfrig am Rand des Beckens döste. Sein Rücken war dank zahlreicher Kämpfe mit anderen Krokodilen mit Narben übersät. »Hat es Gold im Mund?«
    Ich beugte mich vor und sah, daß einer der oberen Fangzahne des Tiers mit einem goldenen Draht umwickelt war.
    »Erstaunlich. Die Ägypter haben wirklich fantastische Zahnärzte. Ich kannte einen Mann, der sich von den Ägyptern mit feinem Golddraht falsche Zähne hat einsetzen lassen. Ich wußte zwar, daß sie ihre Krokodile nach dem Tod mumifizieren, aber daß sie sich auch um ihre Zähne kümmern, ist mir neu.«
    Eine weitere ptolemäische Extravaganz.
    Wir trafen eine Reihe von Freunden und stürzten uns ins gesellschaftliche Getümmel. Neben prominenten römischen Staatsmännern und ihren Frauen hatte Lisas auch Exoten wie den Botschafter von Arabien und einen wohlhabenden Kaufmann eingeladen, der den weiten Weg von Indien gekommen war. Außerdem hatte er einige Dichter und Dramatiker hinzu gebeten, die wegen ihrer Konversationstalente ausgewählt worden waren, sowie einige Kurtisanen von außergewöhnlicher Herkunft und Schönheit. Lisas wußte immer die richtige Mischung von Gästen zusammen zu stellen; er war den ganzen Abend bemüht, alle mit einander bekannt zu machen, und achtete darauf, daß sich niemand langweilte.
    Pompeius war da (natürlich mußte man den Konsul einladen), genau wie Milo und einige andere Praetoren, nicht jedoch Clodius, Antistius oder sonst jemand, der dazu neigte, hitzige Debatten vom Zaun zu brechen, die das Fest beeinträchtigen konnten. Lisas achtete sorgfältig darauf, nie tödliche Feinde an einem Abend einzuladen. Der Mann war der Inbegriff der Diplomatie.
    Ich erduldete Glückwünsche und Schulterklopfen für meinen Beitrag zum Transport der Opfersänfte. Die Glückwünsche waren in Ordnung, aber die Schläge auf meine Schulter waren recht schmerzhaft. Wir standen gerade im Hauptraum der Villa (ich bin mir nicht sicher, wie man einen Raum nennt, der vielleicht noch am ehesten an Ptolemaios' Thronsaal erinnerte), als es eine Störung gab. Zwei Liktoren erschienen, die einen öffentlichen Sklaven in einer kurzen Tunika, hochgeschnürten Sandalen und der Mütze eines Boten flankierten. Der Bote trug den weißen Stab, der ihm alle Türen und Tore öffnete und ihm das Recht gab, jedes Pferd oder Vehikel zu beschlagnahmen.
    »Ist er ein Bote des Senats?« fragte Julia in das plötzlich entstehende Schweigen.
    »Von praetorianischem Rang«, erklärte ich. »Es ist der höchste Bote.«
    Der Mann ging direkt auf Pompeius zu und sprach leise mit ihm. Die Miene des Konsuls spiegelte seine Bestürzung wider.
    »Glaubst du, er berichtet von einer Schlacht?« fragte Julia atemlos. »Einer militärischen Katastrophe?«
    »Er trägt keine Depeschenkassette«, bemerkte ich. »Was immer er mitteilen mag, es ist kurz.«
    Pompeius hob eine Hand und schnippte mit den Fingern, ein militärisches Signal, das in der ganzen Villa zu hören war. »Alle Senatoren zu mir!«

    »Warte hier«, sage ich zu Julia und stürzte dann zusammen mit zwei Dutzend anderen zu ihm. Milo stand schon neben Pompeius, und wir drängten uns dicht um ihn. Wie eine abebbende Flut zogen sich alle, die keinen offiziellen Rang hatten, an die Wände zurück, so daß die Männer in den verschieden gestreiften Tuniken und Togen wie auf einer Insel in der Mitte des Raumes standen.

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